„zwei wirkliche Kerle“

von Daniela Wuensch

„zwei wirkliche Kerle“
Neues zur Entdeckung der Gravitationsgleichungen der
Allgemeinen Relativitätstheorie durch David Hilbert und Albert Einstein
Daniela Wuensch
Verlag Thermessos – 2. verbesserte Auflage 2007 :
Ein Kriminalfall in der Wissenschaftsgeschichte?
Prioritätsstreite haben immer wieder zu Fälschungen von Quellen geführt. In den letzten Jahren stritten Historiker mehrfach intensiv über die Priorität bei der Entdeckung der endgültigen Gravitationsgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie.

Wer fand sie zuerst? David Hilbert oder Albert Einstein? Im November 1915 hatte Einstein fast nur mit Hilbert korrespondiert. Sie lieferten sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei der Entdeckung der endgültigen Gleichungen. Da entscheidende Briefe Hilberts an Einstein fehlen, war die Frage nicht eindeutig zu beantworten. Doch lange Zeit schien es, dass Hilbert die Gleichungen zuerst fand.

Seit 1997 kehrte sich das Blatt um. Nun war Hilbert der Dieb. Die Entdeckung einer bis dahin unbekannten Quelle spielte dabei eine entscheidende Rolle. Jüngst kehrte sich das Blatt wieder um. Genauere Untersuchung dieser Quelle ließ Merkwürdiges erkennen: Eine vielleicht entscheidende Passage war ausgeschnitten.

Daniela Wuensch hat sich alle Quellen noch einmal genau angeschaut und entdeckte bisher Übersehenes – und Erstaunliches:
Ist hier eine Quelle manipuliert worden? Hier weiterlesen mit umfangreichen weiterführenden Links…

 

Artikel von Peter Ripota:

Hilbert oder Einstein?
Chronologie eines Rufmords

Wussten Sie, dass im Jahre 1997 drei Autoren versuchten, den Ruf des größten Mathematikers des 20. Jahrhunderts zu ruinieren? Und dass sie dabei Erfolg hatten, obwohl ihre Machenschaften und Manipulationen aufgedeckt wurden? Hier ist die traurige Geschichte. Mittäter: Die renommierte Wissenschafts-Zeitschrift „Science“, das Max-Planck-Institut für Geschichte der Wissenschaften, und noch zwei außereuropäische Universitäten.

Bis zu diesem fatalen Jahr lagen die Fakten klar auf dem Tisch, und sie wurden auch von der Wissenschaftler-Gemeinschaft als solche akzeptiert: Einstein hatte zehn Jahre nach der richtigen Formel für seine Allgemeine Relativitätstheorie gesucht und sie nicht gefunden. Ihm fehlte ein Glied, dessen Existenz keineswegs selbstverständlich war (die „Spur des Ricci-Tensors“, kurz: der Spurterm). Als er im Sommer 1915 in Göttingen darüber einen Vortrag hielt, packte David Hilbert, wohl der bedeutendste Mathematiker des 20. Jahrhunderts und an physikalischen Fragen stets sehr interessiert, das Problem an und hatte in kurzer Zeit die richtige Formel gefunden. Einstein erfuhr davon, bat Hilbert um die Fahnen des (noch unveröffentlichten) Artikels, die ihm Hilbert im November 1915 schickte. Einstein fand das fehlende Glied und baute es flugs in seine Formel ein – ohne Ableitung oder Begründung! Er veröffentlichte seine Arbeit fünf Tage, nachdem Hilberts Arbeit erschienen war. Mit der ihm eigenen Vorstellung von Realität drehte er dann den Spieß um und beschuldigte in einem Brief an einen Freund ihn, David Hilbert, des geistigen Diebstahls. Hilbert schwieg vornehm darüber, die Wissenschaftler waren sich einig: Einstein hatte die Forschung an einer einheitlichen Gleichung initiiert und vorangetrieben, Hilbert hatte sie vollendet.

Dann kamen Leo Corry, Jürgen Renn, und John Stachel, und schrieben in der Wissenschaftszeitschrift „Science“ einen Artikel, in dem sie behaupteten: Auf Grund eines von ihnen gefundenen Manuskripts (Fahnenabzüge + handschriftliche Bemerkungen) aus der Staatsbibliothek Göttingen ergebe sich, dass es umgekehrt war: Einstein habe das fehlende Glied gefunden, Hilbert es von ihm übernommen, also gestohlen.

Aha, denkt der unbedarfte Leser: Die Herren fanden eine Abhandlung Einsteins, in der er schlüssig zeigte, wie sich das fehlende Glied mathematisch-logisch aus seinen Annahmen ergibt. Doch weit gefehlt! Die Herren fanden ein Manuskript von Hilbert, in dem ein Teil der mathematischen Ableitung fehlte. Woraus sie zwei kühne Schlüsse zogen:

(1) Hilbert war nicht imstande, die Formeln abzuleiten, obwohl er eine eigens von ihm entwickelte Methode anwandte! (Später haben einige Autoren die Lücke geschlossen: Sie umfasst nur wenige Zeilen.)

(2) Deswegen muss Hilbert das fehlende Glied von Einstein gestohlen haben, obwohl dieser es nachweislich erst später verwendete, mithin Hilbert eine Art Zeitreise oder Pottersche Magie hätte anwenden müssen.

So weit so schlecht (jedenfalls, was Logik betrifft). Aber jetzt kommt das wirklich dicke Ding: Das Manuskript war manipuliert. Ein Teil war offensichtlich mit einer Schere herausgeschnitten, nämlich genau der Teil, in dem einige Zeilen der Ableitung stehen müssten. Die drei Autoren mussten es bemerkt haben, aber sie erwähnten es nicht. Haben sie es übersehen? Sowas kommt in den besten Familien vor: Als man die Leiche des Eiszeit-Ötzis fand, wurde er gründlich untersucht, unter anderem auch mit Röntgenstrahlen. Doch erst zehn Jahre danach stellte man plötzlich fest: In seinem Schulterblatt steckte eine Pfeilspitze, die niemand bemerkt hatte.

So hätte es natürlich auch mit dem Hilbert-Manuskript sein können. Im Jahre 2004 untersuchte der Physik-Professor Friedwart Winterberg selbst das Original und machte die Manipulation (ausgeschnittener Teil, Neu-Nummerierung mit römischen Ziffern) publik. Ein Jahr später veröffentlichte Daniela Wuensch ihre ausführlichen Untersuchungen, die sie in einem äußerst lesenswerten Buch niederlegte.

Und wie reagierten die drei Autoren? Gingen sie auf Winterbergs Argumente so ein, wie unter Wissenschaftlern üblich, also sachlich, nüchtern, objektiv und nachvollziehbar? Entschuldigten sie sich gar, dass sie die Manipulation übersehen hätten? Aber nein doch! Das einzige, was ihnen einfiel, war eine wüste Beschimpfung des Herrn Winterberg. Einstein-Kritiker kennen das: Herrn Winterberg wurde vorgeworfen, er leide an Verfolgungswahn und sei Antisemit. Das war sogar der Max-Planck-Gesellschaft zuviel, und sie distanzierte sich öffentlich von dem Trio infernal:

„Die Max-Planck-Gesellschaft distanziert sich von Renn, Corry und Stachel bezüglich ihrer Äußerungen zu Professor Friedwart Winterberg, nämlich,

1. dass Professor Winterberg einen paranoiden Schreibstil hätte,

2. dass Professor Winterberg gerne zu den Zeiten einer „jüdischen Physik in Deutschland“ zurückkehren möchte, eine abwertende Äußerung, die in der Nazizeit gegenüber Einstein verwendet wurde.“

Was den Prioritätsstreit betrifft, äußert sich die Max-Planck-Gesellschaft nicht. Und so glaubt die Mehrheit der Wissenschaftler immer noch, Hilbert hätte von einem drittklassigen Möchtegern-Mathematiker abgeschrieben. Es ist schon seltsam: Als ein Herr zu Guttenberg Texte ohne Quellenangabe verwendete, die niemand interessierten und mit denen er niemanden schädigte, wurde ein Haberfeldtreiben auf ihn veranstaltet, das er politisch nicht überlebte. Als drei eher unbekannte Autoren den Ruf des größten Mathematiker des 20. Jahrhunderts mit fadenscheinigen bzw. unlogischen Argumenten schädigten, hat sich niemand aufgeregt oder gar zu einer Gegendarstellung aufgerafft.

Denn der Rufmord hat gewirkt. Galilei hatte Gelegenheit, vor dem Inquisitionstribunal seine Thesen zu rechtfertigen und zu verteidigen. Einsteinkritiker haben diese Gelegenheit nicht. Das ist eben Wissenschaft.

Literatur:

Leo Corry, Jürgen Renn, and John Stachel, (1997): Belated Decision in the Hilbert-Einstein Priority Dispute, Science 278, 14. November 1997, 1270-1273

F. Winterberg (2004): On „Belated Decision in the Hilbert-Einstein Priority-Dispute“, published by L. Corry, J. Renn, and J. Stachel, Zeitschrift für Naturforschung 59a, 715-719

Leo Corry, Jürgen Renn, and John Stachel, (2004): Response to F. Winterberg, „On ‚Belated Decision in the Hilbert-Einstein Priority Dispute‘, published by L. Corry, J. Renn, and J. Stachel.“ Z. Naturforsch. 59a (2004) 715-719

Daniela Wuensch: „zwei wirkliche Kerle“. Neues zur Entdeckung der Gravitationsgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie durch Albert Einstein und David Hilbert. Termessos, Göttingen 2005. ISBN 3-938016-04-3

Mehr dazu hier: http://termessos.de/LinksEinsteinHilbertdispute.htm

Einstein als Plagiator: http://einstein.peter-ripota.de/einsteinderplag-de-361.html

 

Eine Antwort zu “„zwei wirkliche Kerle“”

  1. Helmut Hille

    Ich habe mal gelesen, dass Hilbert Einstein bezügl. ART den Vortritt ließ, weil er (irrtümlich) Einstein für einen Physiker hielt.
    Einstein selbst: „Die Physiker sagen, dass ich ein Mathematiker bin. Die Mathematiker sagen, dass ich ein Physiker bin. Ich bin ein ganz isolierter Mensch*, obwohl mich jeder kennt.“
    *seinen Autismus ansprechend

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