Offene Briefe an Albert Einstein und Max von Laue

von Oskar Kraus

Offene Briefe an Albert Einstein und Max von Laue über die gedanklichen Grundlagen der speziellen und allgemeinen Relativitätstheorie
Oskar Kraus

Verlag Braumüller, 1925
buchfreund.de

Das GOM-Projekt referiert stichwortartig in seiner Dokumentation diese offenen Briefe von Oskar Kraus:

Zitate abgedruckt in: Hundert Autoren gegen Einstein. 1931, S. 88-89.
Inhalt: „Offener Brief an Professor Albert Einstein“ (S. 1-74). „ Offener Brief an Herrn Professor Max von Laue“ (S. 75-98). Beilage: „Die rotierende Kreisscheibe’“ (S.99- 104). 

Brief an Einstein:

Will Einwendungen gegen die gedanklichen Grundlagen vortragen, weil nur eine Antwort von Einstein authentischen Wert hat. Andere Vertreter der Theorie (z.B. v. Laue) veröffentlichen selbst Darstellungen ohne Verwendung eines mathematischen Apparats und behaupten, eine erschöpfende Darstellung gegeben zu haben, weisen jedoch seine (Kraus’) Kritik mit dem Argument zurück, er sei mathematisch nicht kompetent. Leider sei Einstein der Einladung Vaihingers zum Philosophen-Kongreß in Halle 1920 nicht gefolgt, so daß er Kraus’ Vortrag nicht hören konnte. Die „Zeitschrift für Physik“ hat durch v. Laue die Aufnahme eines kritischen Beitrags von Kraus abgelehnt.

Die Zeitschrift „Logos“ hat 1922 eine Verteidigung der Theorie von Reichenbach gebracht, aber eine Erwiderung von Kraus nicht angenommen; ebenso hat sie es Gehrcke verwehrt. Zum kürzlichen Naturforscherkongreß in Innsbruck hatte Kraus einen Vortrag angemeldet, woraufhin man ihm den Beschluß der Kongreßleitung mitteilte, die Relativitätstheorie werde diesmal vom Programm ausgeschlossen – nachdem im Vorjahr ein feierlicher Vortrag von Schlick zur Propagierung der Theorie gehalten worden war. Inzwischen werden auf Kongressen auch Professoren der naturwissenschaftlichen Fächer nicht zugelassen, wenn sie Gegner der Theorie sind (S. 4-5) 

–  Bezieht sich zur Speziellen Relativitätstheorie auf Einsteins eigene „gemeinverständliche“ Darstellung, die Einstein als „möglichst deutlich und einfach“ bezeichnet hat (S. 8 )

– Fragt zur Interpretation des Michelson-Morley-Versuches  und Lorentz’ Erklärung durch die Kontraktions-Hypothese (Längenkontraktion) nach Einsteins Auffassung und einer Klarstellung, da Einstein selbst im Prager öffentlichen Vortrag auf eine Kausalerklärung für die Theorie verzichtet hat, während andere Vertreter der Theorie von kausalen Erklärungen sprechen (S. 12-13). Bittet um eine Klarstellung des Widerspruchs, daß Lorentz die Kontraktion als physikalischreal darstellt, bei Einstein selbst aber nur vom nicht-mitbewegten Beobachter wahrgenommen wird, was Ph. Frank ausdrücklich bestätigt, während viele Popularisierungen die Kontraktion als physikalisch-real hinstellen (S. 13-14). 

–  Fragt nach dem Widerspruch zwischen der behaupteten Konstanz der Lichtgeschwindigkeit für alle Beobachter und den verschiedenen Relativgeschwindigkeiten dieser Beobachter. (S. 21-31). Die behauptete C-Konstanz (Kraus nennt es „Invarianzprinzip“) ist das Zentrum der Theorie; die C-Konstanz ist eine „Deduktion aus unmöglichen Prämissen, eine mathematische Begriffsdichtung“ (S. 31-32).

– Hält der behaupteten Relativität der Gleichzeitigkeit die Unveränderlichkeit der Maßeinheiten entgegen: die Relativität entsteht nur durch Änderung der Maßeinheiten; deshalb können die von Einstein behaupteten Messungen nie stattgefunden haben (S. 33). 

–  Bezieht sich zur Allgemeinen Relativitätstheorie auf die Behauptung Eddingtons, „das Gebäude der Relativitätstheorie ruht auf zwei Prinzipien – dem beschränkten Relativitätsprinzip und dem Äquivalenzprinzip“ (S. 51). Will nicht alle früher schon vorgetragenen Kritikpunkte (Überblick seiner krit. Arbeiten in Fußnote über drei Seiten) wiederholen, sondern als neuen Kritikpunkt nur die von Eddington behauptete Verbindung der beiden Prinzipien betrachten. In der Speziellen Relativitätstheorie erklärt Einstein die Effekte (Längenkontraktion, Zeitdilatation) nur für den „ruhenden“ Beobachter, nicht jedoch für den mitbewegten Beobachter wahrnehmbar, während bei Einstein im Äquivalenzprinzip nur der mitbewegte Beobachter (Mann im Kasten) die erfahrene Beschleunigung als Schwerefeld deuten kann: daher sind beide Prinzipien logisch nicht vereinbar, sondern voneinander völlig unabhängig. Diese Feststellung allein schon zeigt die Unvereinbarkeit der beiden Theorien. Wenn der mitbewegte Beobachter in der Speziellen Relativitätstheorie weder Längenkontraktion noch Zeitdilatation an seinen Instrumenten beobachten kann, dann „auch nicht der mitbeschleunigte und mitrotierende“ der Allgemeinen Relativitätstheorie: „er kann somit auch keinesfalls eine solche Deformation für ein äquivalentes Schwerefeld feststellen“ (S. 57). 

Zu Einsteins Behauptung des verschiedenen Uhrengangs in der Rotation (Uhr im Zentrum, Uhr an der Peripherie) und in einem daneben befindlichen „ruhenden“ Inertialsystem: nach Einstein soll, vom  Inertialsystem aus beobachtet, die Peripherie-Uhr langsamer gehen als die Zentrums-Uhr, aufgrund der Speziellen Relativitätstheorie; dann behauptet Einstein, auch ein Beobachter an der Zentrums-Uhr sehe die Peripherie-Uhr langsamer gehen, weil der im Zentrum der Rotationsscheibe befindliche Beobachter und seine Uhr nicht mitbewegt werden. Diese Darstellung Einsteins steht erstens im Gegensatz zu seiner eigenen ausdrücklichen Aussage, die Spezielle Relativitätstheorie gelte nur für Inertialsysteme (Galilei-Systeme), zweitens nimmt auch die Zentrums-Uhr unweigerlich an der Rotation teil und kann nicht, wie von Einstein behauptet, für ruhend erklärt werden (S. 58-61). In der Physik kann es nur um körperliche Uhren und körperhafte Rotationen gehen, nicht um mathematische Abstraktionen. Ein Punkt (Mittelpunkt) ist eine Grenze, kein physikalischer Körper.

–  Fragt, ob Einstein zugibt, daß sich alle Punkte der rotierenden Scheibe zueinander in Ruhe befinden? Davon hängt es ab, ob sich Zentrums-Uhr und Peripherie-Uhr relativ zueinander bewegen: wenn sie relativ zueinander unbewegt bleiben, kann zwischen ihnen kein Gangunterschied beobachtet werden (S. 64-65). Frage an Einstein: „Wie also kommen Sie zu der Behauptung, daß der Zentrumsphysiker die Peripherieuhr gegenüber der seinen retardiert sieht?“ (S. 65).

  

Brief an von Laue:

druckt vorab 3 andere Briefe ab (S. 75-86):

(1) Ablehnung des Manuskripts seines offenen Briefes an Einstein durch die „Zeitschrift für Physik“, die ihre Ablehnung mit einem Votum von v. Laue begründet;
(2) seine Stellungnahme zur Ablehnung;
(3) ein Schreiben von v. Laue an die Zeitschrift, als Antwort auf Kraus’ Stellungnahme, das von der Zeitschrift an Kraus zur Kenntnis gesandt wird;

anschließend erst folgt der offene Brief an v. Laue (S. 86-98).

– Widerlegt Behauptungen v. Laues zur Methodik: er, Kraus, hat nicht die mathematische Seite kritisiert, braucht also keine besondere math. Kompetenz nachzuweisen, zumal selbst Einstein für das Verständnis der Speziellen Relativitätstheorie nur „Gymnasialmatura“ für erforderlich hält; er, Kraus, hat nur Antwort auf drei Sachfragen verlangt, die leicht hätten beantwortet werden können, und keine Polemik betrieben; er, Kraus, hat aus wissenschaftlichen Abhandlungen zitiert und aus Einsteins „gemeinverständlicher“ Darstellung, die ebenfalls von allen Relativitäts-Vertretern zitiert wird: der Vorwurf, er hätte nur populäre Darstellungen benutzt, muß zurückgenommen werden; die mathematische Geschlossenheit und Schönheit der Theorie „interessiert mich nicht“, sondern die gedanklichen Absurditäten (S. 88-91).

– Zu v. Laues Bekenntnis (in seinem Brief an die Zeitschrift), wenn ein Philosoph innere Widersprüche der Theorie kritisiert, dann sieht er, v. Laue, sich den kritischen Gedankengang gar nicht in allen Einzelheiten an, sondern sagt dem Philosophen auf den Kopf zu, daß er, der Philosoph, die Sache nicht recht verstanden habe: damit ist v. Laue „ also bereits bei dem Unfehlbarkeitsdogma angelangt“ (S. 93).

– Begründet seine langjährige kritische Beschäftigung mit der Theorie: sie steht auf rein konventionalistischer Grundlage und „verfälscht den Wahrheitsbegriff pragmatistisch“ (S. 95); ihre „Verachtung von Vernunftwahrheiten“ ist eine Kulturfrage allerersten Ranges (S. 95); jede „ernste Kritik [wird] mißhandelt“ von den Relativisten, der 80-jährige Isenkrahe wurde geradezu verhöhnt: „Ich habe die sichere Nachricht, daß durch diese kulturwidrige Abfertigung der Lebensabend dieses Mannes verbittert und sein Tod beschleunigt worden ist. […] Ich mache es Ihnen und Herrn Einstein zum Vorwurfe, daß Sie nicht Protest erheben gegen die Reklame, die mit der Relativitätstheorie getrieben wird. Doch genug! Der Zusammenbruch der Theorie ist unvermeidlich. Die Feinde des Deutschtums werden über seine wissenschaftliche Blamage triumphieren wollen. Dann wird wenigstens als mildernder Umstand in die Wagschale fallen, daß sich doch auch von deutscher Seite einige Kritiker gefunden haben, die den Irrtum in den gedanklichen Grundlagen sogleich erkannt haben … […] Ich halte den erkenntnistheoretischen Relativismus, der die Relativitätstheorie durchzieht, für ein Gift, das kulturell nur verderblich wirken kann“ (S. 96-97).  Schildert eindringlich die Aussperrung der Kritiker aus der Fachdiskussion in den deutschsprachigen Ländern seit 1922, ihre Mißhandlung durch das Physik- Establishment und die Methoden der Durchsetzung der Theorie.

– Stellt 1934 (Grenzen der Relativität) fest, daß seine Briefe bisher unbeantwortet geblieben sind. – Eine scharfsinnige Analyse sowohl der behaupteten Konstanz der Lichtgeschwindigkeit für alle Beobachter als auch der wirklichen Sachlage bei der Rotation ein unübertroffenes Beispiel der Theoriekritik, auf die die Relativisten schlicht nichts zu erwidern haben als Verleumdungen und Beschimpfungen.

– Sieht den sicheren Ruin der Theorie voraus, und sieht sich und die anderen Kritiker gewissermaßen als Widerstandskämpfer in einer Physik-Diktatur, die später, wenn die Blamage auf die deutsche Physik-Branche hereinbrechen wird, zur Ehrenrettung antreten, daß nicht alle auf die Theorie hereingefallen sind. Leider hat Oskar Kraus diesen Tag nicht mehr erleben sollen.

– Kraus ist einer der ersten und wenigen Kritiker, die in den Methoden der Durchsetzung der Theorie bereits den Traditionsbruch denunzieren und den erkenntnistheoretischen Relativismus der Theorie anprangern. Man kann verstehen, daß weder Einstein noch v. Laue Lust verspürten zu antworten.

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Das GOM-Projekt referiert in seiner Dokumentation eine weitere Arbeit von Oskar Kraus:

1920 – Nachwort [zu Franz Brentano: Zur Lehre von Raum und Zeit] 
In: Kantstudien. 25. 1920, S. 22-23.

Lorentz selbst hält es für eine Sache der Erkenntnistheorie, die Relativitätsbegriffe zu  kritisieren.

– Nach Frischeisen-Köhler 1913 können naturwissenschaftliche Erfahrung und Experiment nicht über Axiome und Begriffe von Raum und Zeit entscheiden.

– Nach Vaihinger gibt es sehr wohl apriorische Wahrheiten, z.B. die, „daß von zwei Körpern, deren Entfernung voneinander zu- oder abnimmt, einer von beiden oder beide sich bewegen müssen“.

– Die vierdimensionale Raum-Zeit ist nur eine Fiktion, die wie andere Fiktionen nützlich sein kann, die man jedoch nicht für eine Hypothese über Wirkliches mißverstehen darf, was Einstein und seine Anhänger jedoch tun; Laue allerdings hat darin richtig eine „symbolische Darstellung“ erkannt.

– Die Lorentz-Transformationen verknüpfen nur Koordinatensysteme, also Gedankengebilde (ohne physikalische Eigenschaften), also Fiktionen, auch nach Einsteins eigener Äußerung.

– Das Gauß’sche Koordinatensystem ist auch nach Einstein nichts anderes als „eine logische Verallgemeinerung des Kartesischen Systems“, woraus sich „der fiktiv symbolische Charakter auch der allgemeinen Relativitätstheorie ohne weiteres“  ergibt.  Die Relativistik greift mit ihren Behauptungen über Begriffe in eine  Materie, die sie nicht einmal in den Anfangsgründen beherrscht, sondern arrogant mißachtet.  Ein kategorialer Irrtum verursacht den Ruin der Theorie.

 

 

Eine Antwort zu “Offene Briefe an Albert Einstein und Max von Laue”

  1. Die Spezielle Relativitätstheorie wurde schon 1909 durch einen Freund Einsteins widerlegt | Blog - Jocelyne Lopez

    […] – Ludwik Silberstein 1920 – Albert Michelson 1920 – Melchior Palágyi 1922 – Henri Bergson 1925 – Oskar Kraus 1926 – Ernst Marcus 1928 – Emanuel Lasker 1931 – Hans Israel 1934 – Salomo […]

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