Untersuchung über die Lorentzsche und die Einsteinsche Kinematik
von Friedrich Adler
Ortszeit, Systemzeit, Zonenzeit und das ausgezeichnete
Bezugssystem der Elektrodynamik:
eine Untersuchung über die Lorentzsche und die Einsteinsche Kinematik
Friedrich Adler
Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung, 1920 – 237 Seiten – buchfreund.de
Die Forschungsgruppe G.O. Mueller referiert stichwortartig in ihrer Dokumentation diese Arbeit von Friedrich Adler:
Vorwort: Klare Begrenzung des Themas: nur die Kinematik wird behandelt; nicht die Hypothesen und nicht die experimentellen Befunde selbst, sondern nur die Frage, was aus ihnen folgt, wenn man sie zur Grundlage der Theorie macht, wie es Lorentz und Einstein getan haben; nicht die Frage anderer Theorien (z.B. Ritz). Zweck der Untersuchung: „Entscheidung der Frage, ob ein ausgezeichnetes Bezugssystem vorausgesetzt werden muß oder nicht“ (S. VII).
– Hauptaufgabe: „die Fehlschlüsse in der Einsteinschen Kinematik zwingend nachzuweisen, die in ihr enthaltenen metaphysischen Zutaten zu eliminieren. […] Die entscheidenden Fehler liegen schon im Ausgangspunkt der „speziellen“ Relativitätstheorie. Sie gelten a forteriori für die allgemeine“ (S. XII). Ergebnis: „die Notwendigkeit der Annahme eines ausgezeichneten Bezugssystems zu erweisen […] Damit ist als wichtigstes Ergebnis der Boden der klassischen Mechanik wiedergewonnen“ (S. XIII). Hofft trotz der fundamentalen Kritik auf eine „Verständigung mit der Einsteinschen Schule“ (S. XV).
– Breit angelegte Untersuchung; wählt als Grundlage die Zeitkonzeption von Voigt. S. 60-92 (=Kap. 2): ausführliche, elementare Erörterung der Meßmethoden für Zeit (Uhren!), Länge und Geschwindigkeit.
– Kritik: S. 9-11; S. 92-213: Die Fehlschlüsse in der Einsteinschen Kinematik. – Literatur: S. 229-235.
Nicht uninteressant ist der menschliche Hintergrund dieser fundamentalen Kritik. Adler war mit Einstein in den Jahren 1908-09 in Zürich eng befreundet, beide wohnten zeitweise im selben Haus und haben ihre Ideen intensiv diskutiert; in einer Berufungsfrage der Universität erhielt Einstein den Vorzug, Adler mußte zurückstehen. Adler verstand sich als Revolutionär, beging 1916 in Wien einen politischen Mord und verbüßte 1917/18 einen Teil der Gefängnisstrafe und hat die Arbeit, die lt. Vorwort bereits im Oktober 1918 abgeschlossen wurde, überwiegend während des Gefängnisaufenthalts geschrieben. Einer der wenigen Autoren, die Bernays 1913 kennen.
Aloys Müller bemerkt 1923 (Probleme der Speziellen Relativitätstheorie, S. 410): „Es muß einmal darauf hingewiesen werden, daß mit dem Buche von Adler meines Wissens noch keine sachgemäße Auseinandersetzung von einem Relativitätstheoretiker erfolgt ist; das Buch verdient nicht, daß es totgeschwiegen wird.“ Die Zeit des Totschweigens hat schon vor 1923 begonnen und dauert bis heute an.
- 14. März 2012
- Artikel
14. März 2012 um 13:45
Friedrich Adler war Sozialdemokrat und erklärter Anhänger des Machismus. Sein „Zurückstehen“ hinter Einstein bei einer Professorenberufung (an die soz.dem. dominierte Univ. Zürich) dürfte nur als historische Finte zu verstehen sein.
Als Einstein nach der Solvay Konferenz 1911 (arrangiert von Nernst, unter Einfluß von Mme. Curie, deren Gemobbtwerden sich sogleich in einen Nobelpreis verwandelte)und dann endgültig zum 1. April 1914 sich von Mach zu Planck wendete, und damit die Relativitätstheorie ihre politische Heimat verlor, wurde Adler kritisch. Er machte den Grafen Stürckh für die Abtrünnigkeit Einsteins verantwortlich und erschoß diesen 1916. Anschließend versuchte Adler das Malheur mit der an Planck verlorengegangenen Relativitätstheorie zu beheben und schrieb obenerläutertes Buch (ein dickes Buch, keinen „mehrseitigen Aufsatz“, wie Wissenschaftshistoriker später behaupteten).