Die Autoren der Relativistik weichen auf die Frage nach den physikalischen Ursachen für die von ihnen behaupteten Effekte (Längenkontraktion – LK; Zeitdilatation – ZD) in völlig unterschiedliche Annahmen und sogar in die Akausalität aus
von G.O. Mueller
Aus der Dokumentation von G.O. Mueller Kapitel 2 – Fehlerkatalog
Q: Methodik / Fehler Nr. 3 (English Version…):
Die Autoren der Relativistik weichen auf die Frage nach den physikalischen Ursachen für die von ihnen behaupteten Effekte (Längenkontraktion – LK; Zeitdilatation – ZD) in völlig unterschiedliche Annahmen und sogar in die Akausalität aus
AE 1905 kann dank seines Grundwiderspruchs (Anschein / Realität) der Frage nach den Ursachen für die Effekte leicht ausweichen.
Minkowski erklärt in seinem Kölner Vortrag 1908 (veröff. 1909, zitiert nach Abdruck 1958) die Kontraktion (S. 59) „nicht etwa als Folge von Widerständen im Äther … sondern rein als Geschenk von oben, als Begleitumstand des Umstandes der Bewegung.“ Er gibt zur ZD keine anderslautende Ursache an. Gemessen an den Standards der Physik ist dies eine Behauptung der Akausalität.
Nach M. v. Laue 1913 (S. 43) ist die LK real, der Stab „zieht … sich … zusammen„, und sie wird begründet (S. 45) mit den elastischen Kräften, die die Form des Körpers bedingen und durch die Bewegung so beeinflußt werden, daß sie die Verkürzung bewirkt. Die ZD ist dagegen bei M. v. Laue (S.42) ausdrücklich reziprok; folglich kann sie nicht real sein und verlangt keine Diskussion einer Ursache; das Zwillings-Paradoxon wird (S. 43) nur als „Konsequenz“ von Langevin behandelt: dieses soll (S. 58) in der fiktiven Minkowski-Welt real sein: zur Erklärung dienen die unterschiedlichen Weltlinien! M. v. Laue ist einer der nicht wenigen Relativisten, bei denen – unerklärlicherweise – die beiden Effekte LK und ZD einen unterschiedlichen ontologischen Status haben: LK reziprok/scheinbar; ZD einseitig/real.
Dagegen wird von den meisten Relativistik-Autoren gesagt, daß beide Effekte denselben Status haben müssen.
Bei Born 1920 (S. 177-184) haben beide Effekte denselben Status, nämlich reziprok/scheinbar: er erklärt die Kontraktion (S. 179) für „durchaus wechselseitig, wie es das Relativitätsprinzip verlangt„, dasselbe (S. 180) für die Zeitdilatation; bestätigt (S. 182), daß Albert Einstein selbst keine Ursachen angegeben hat, sondern die Kontraktion nur „als Begleitumstand der Tatsache der Bewegung“ erklärt; deduziert unter Berufung auf Minkowskis Weltlinien (S. 183): „Die Kontraktion ist also nur eine Folge der Betrachtungsweise, keine Veränderung einer physikalischen Realität; also fällt sie nicht unter die Begriffe von Ursache und Wirkung. Durch diese Auffassung wird auch jene berüchtigte Streitfrage erledigt, ob die Kontraktion ‚wirklich‘ oder nur ’scheinbar‘ ist. Wenn ich mir von einer Wurst eine Scheibe abschneide, so wird diese größer oder kleiner, je nachdem ich mehr oder weniger schief schneide. Es ist sinnlos, die verschiedenen Größen der Wurstscheiben als ’scheinbar‘ zu bezeichnen und etwa die kleinste, die bei senkrechtem Schnitt entsteht, als die ‚wirkliche‘ Größe. Genau so hat ein Stab in der Einsteinschen Theorie verschiedene Längen, je nach dem Standpunkte des Beobachters.“ Die Relativierung beider Begriffe (Raum; Zeit) erscheint nur schwierig, „weil sie ungewohnt ist„.
Große Neuigkeiten hält Born 5. Aufl. 1969 (S. 216-226) für seine Leser bereit, natürlich ohne sie darauf aufmerksam zu machen. Die erste Hauptsache: es fehlt jetzt die ausdrückliche Bestätigung der Wechselseitigkeit aufgrund des Relativitätsprinzips: wer reale Effekte will, und Born will die ZD einseitig/real, den muß die Wechselseitigkeit stören.
Zweite Hauptsache: Über zwei Seiten hin (S. 217-219) ist er unschlüssig, auf welchem Standpunkt er mit der LK stehen soll (S. 217):
– im 2. Absatz soll ein Maßstab von 1cm Länge in beiden Systemen dieselbe Länge 1 cm haben; – nennt dies im 3. Absatz das „Prinzip von der physikalischen Identität der Maßeinheiten„; – im 4. Absatz über „Längen- und Zeiteinheiten“: „die ersten sind nicht nur auf jedem fahrenden Schiff andere, je nach dessen Geschwindigkeit, sondern es ist außerdem die Längeneinheit querschiffs von der längschiffs verschieden„; von den zweiten (?) ist nicht die Rede;
– im 5. Absatz wird der 4. Absatz bestätigt: „Die Längenskala muß eben in zwei relativ zueinander bewegten Systemen S und S‘ des Modells verschieden gewählt werden„; – es stehen auf S. 217 noch manche anderen Erwägungen und Vorbehalte, aber der 6. Absatz beginnt unübertroffen mit dem kryptischen Satz: „Ganz anders soll es nun nach EINSTEIN in der wirklichen Welt sein …„;
– S. 219 ist die LK anscheinend wieder reziprok/scheinbar: „keine Veränderung einer physikalischen Realität„.
Da Born ein breites Angebot macht, nehmen wir seine letztzitierte Aussage als für ihn repräsentativ an: dann ist die LK reziprok/scheinbar. Aber auch die andere Position wird bedient: auf dem fahrenden Schiff braucht man zwei Zollstöcke, einen für querschiffs und einen für längschiffs. Bei Born ist alles richtig.
Bestätigt (S. 218), daß Albert Einstein selbst für die LK keine Ursachen angegeben hat.
Dritte Hauptsache: behandelt eingehend das Uhren-/Zwillings-Paradoxon, und zwar jetzt als einseitig/real (S. 220-226); als Begründung wählt er die verschiedenen „Weltlinien“ in Minkowskis fiktionaler vierdimensionaler Raum-Zeit und folgert: der von der Reise zurückkehrende Zwilling (S. 222) „muß … jünger sein als der Bruder A. In der Tat, ein wunderlicher Schluß, der aber durch keine Deutelei zu beseitigen ist. Man muß sich damit abfinden, wie man sich vor einigen Jahrhunderten mit den auf dem Kopf stehenden Antipoden abfinden mußte.„
Mit dieser Anweisung nach der barschen Art des Gutsherrn, daß man sich abfinden muß, glaubt Born das Problem gelöst zu haben (S. 220): „Bei richtiger Auffassung enthält die Einsteinsche Auffassung keinerlei Dunkelheiten order gar innere Widersprüche.“ Wer Widersprüche feststellt, soll die falsche Auffassung haben: immer soll der Kritiker selbst schuld sein, nie die Theorie. Die Kritik weist die vierdimensionale Raum-Zeit als falsche Auffassung für die Behandlung der Vorgänge in der dreidimensionalen Wirklichkeit zurück: bevor Born die „Weltlinie“ bemüht, müßte er zeigen, wie die Zwillinge in der Raumzeit real untergebracht werden können. Das hat noch kein Relativist vermocht. Vgl. Fehler G 6.
Schlußfolgerung der Kritik: die methodischen Inkonsistenzen der Theorie durch Widersprüche zwischen ihren Groß-Koryphäen und zwischen verschiedenen Ausgaben desselben Werks und innerhalb derselben Monographie-Ausgabe derselben Groß-Koryphäe sind derart eklatant und grundsätzlicher Art, daß ohne einen Klärungsprozeß innerhalb der Relativistik eine kritisierbare Theorie öffentlich überhaupt noch nicht vorliegt.
Diesen Zustand betrachten die Relativisten selbst wohl als ihr Traumziel, denn sie sehen auch keinen Anlaß, diese Unklarheiten zu diskutieren und wenigstens eindeutige Positionen zu definieren. Eine Theorie im Nebel der Unklarheit halten sie für schwerer angreifbar: deshalb werden sie selbst den Nebel keinesfalls vertreiben, im Gegenteil.
Es genügt, vier frühe Hauptvertreter der Relativistik vorzuführen. Es hat sich seither in der Relativistik nichts geändert: die bereits um 1920 vorhandene vollständige Unklarheit und Widersprüchlichkeit kann nur noch wiederholt, variiert und ins Skurrile gesteigert werden.
– Albert Einstein hält sich 1905 hinsichtlich der Ursachen völlig bedeckt; später wird er mit dem „Begleitumstand der Tatsache“ zitiert, was natürlich nichts anderes ist als die Tatsache als Ursache für den Begleitumstand, nur mag er eine Ursache nicht erklären.
– Minkowski 1908 kaschiert mit dem feuilletonistischen „Geschenk von oben“ wohl die Ursachlosigkeit, andererseits hat er den „Begleitumstand des Umstandes“ in Reserve. – Dagegen legt v. Laue 1913 sich auf Ursachen fest: LK durch Elastizitätsänderungen verursacht, ZD ohne Ursache.
– Born 1920 bestätigt die Wechselseitigkeit der Effekte aufgrund des Relativitätsprinzips, bestreitet folglich noch die Realität der Effekte und kann damit die Frage nach Ursachen vermeiden; mit der Wurstscheibe glaubt er die „berüchtigte Streitfrage“ nach Anschein oder Realität zu erledigen, erklärt aber zugleich alle arbiträr (!) gewählten Schnitte (Wurstscheiben) aller (!) Beobachter für gleichermaßen real und behauptet damit mehrere Realitäten für gleichermaßen real, worin er glücklicherweise keinerlei Widerspruch sieht, sondern alle Widersprüche ausgeräumt zu haben glaubt.
Born 1969 ist zur Fraktion der Realisten übergewechselt, vermehrt jedoch damit nur die Zahl seiner Widersprüche, indem er den Effekt der LK jetzt völlig widersprüchlich darstellt, so daß man nicht weiß, was er will; andererseits behauptet er die Realität der Zeitdilatation in der Person des junggebliebenen Reisenden und möchte dies mit der Verlegung in die Fiktion der vierdimensionalen Raum-Zeit erklären, beschließt dann aber seine Argumentation autoritär: man hat sich abzufinden.
Trostreiche historische Analogie ist ihm, daß man sich auch mit den „Antipoden“ abgefunden hat: daß die „Antipoden“ erst mit der Entdeckung der Gravitation der Erdkugel befriedigend erklärt und damit rational begründet und die Skepsis ausgeräumt werden konnte, scheint für Max Born unerheblich zu sein.
Max Born vertritt am unverhohlensten den Herr-im-Haus-bin-ich-Standpunkt der Relativisten: der Physiker verfügt, und das Publikum hat sich, glaubend oder ungläubig, abzufinden; es wird schon noch einsehen, siehe Antipoden. Diese zynische Haltung ist dieselbe wie die von Max Planck: die Kritiker werden aussterben, dann haben wir Ruhe im Tempel der Relativistik. Weder die gutsherrliche noch die biologische Lösung des Zynismus sind bisher eingetreten, auch nach acht Jahrzehnten nicht, und ihre Aussichten sind auch nicht sehr gut.
AE 1905. – Minkowski, Hermann: Raum und Zeit; Vortrag, 80. Naturforscher-Vers., Köln 1908, 21. Sept. In: Naturforschende Gesellschaft, Cöln. Verhandlungen. 80. 1909, T. 2,1, S. 4-9. Zugl. in: Physikalische Zeitschrift. 20. 1909, S. 104-111. Abdruck in: Das Relativitätsprinzip. Lorentz, Einstein, Minkowski. 6. Aufl. 1958, S. 54-66. – Laue, Max v.: Das Relativitätsprinzip. 2., verm. Aufl.. Braunschweig: Vieweg, 1913. 272 S. (Die Wissenschaft. 38.) – Born, Max: Die Relativitätstheorie Einsteins und ihre physikalischen Grundlagen. Berlin: Springer, 1920. 242 S. (Naturwissenschaftliche Monographien und Lehrbücher. 3.) – Born, Max: Die Relativitätstheorie Einsteins. Unveränd. Nachdr. d. 5.Aufl.. Berlin 1969. 328 S. (Heidelberger Taschenbücher. 1.)
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- 12. September 2013
- Artikel
30. September 2013 um 21:02
Gilt allgemein:
„Ich denke, dieser fundamentalistische Justamentstandpunkt Weinbergs zur Abwehr einer kritischen Hinterfragung ist seinerseits geeignet, die Analyse der philosophischen Relativisten zu bestätigen, daß das, was die Wissenschaft als Realität ansieht, oft genug ein soziales und sprachliches Konstrukt sei, und daß es sich bei der vielgerühmten wissenschaftlichen Objektivität letztlich um den Ausdruck von Machtstrukturen handle, aufgrund derer sich die Wissenschaft durchsetzt.“ (F. Mühlhölzer, s. I/A10 WEGE DES DENKENS)