13. Brief aus meiner Mühle – Wir wollen stark Getränke schlürfen
von Wolfgang Herrig
Erfreulich und konstruktiv für die öffentliche Debatte um die moderne Physik fand ich die Reihe Briefe aus meiner Mühle von Dr. Wolfgang Herrig in ChronoLogs von Spektrum der Wissenschaft, wo auch echte kritische Ansätze u.a. über die Relativitätstheorie zu finden sind – Eine kostbare Seltenheit beim Verlag Spektrum der Wissenschaft, der als etabliertes Mainstream-Medium keine Zeile über die Kritik der Relativitätstheorie bis jetzt veröffentlicht hat und seit Jahrzehnten einzig die gleichgeschalteten Lehrmeinungen produziert und reproduziert. Leider wurde der komplette Blog von Wolfgang Herrig bei SciLogs irgendwann stillschweigend gelöscht… Ich konnte noch folgende Auszüge aus dem Artikel retten:
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13. Brief aus meiner Mühle -Wir wollen stark Getränke schlürfen – Dr. Wolfgang Herrig
Blogartikel vom 11.01.2010 in ChronoLogs/Spektrum der Wissenschaft:
„Das waren zuletzt nun ziemlich viele Briefteile zu einem Thema, das eine elegante Theorie in aller Kürze und Leichtigkeit abhandeln sollte. Die Newtonsche Physik kann genau das. In deren Bezugsrahmen stellt die Rotationsbewegung kein Problem dar. Größen wie Drehimpuls und die Fliehkraft –gleichgültig ob man nun darauf besteht, letztere als „Scheinkraft“ aufzufassen oder sie nun doch als real ansieht- lassen sich zwanglos berechnen und erklären. Beide Relativitätstheorien sind daran gescheitert.“
Das waren zuletzt nun ziemlich viele Briefteile zu einem Thema, das eine elegante Theorie in aller Kürze und Leichtigkeit abhandeln sollte. Die Newtonsche Physik kann genau das. In deren Bezugsrahmen stellt die Rotationsbewegung kein Problem dar. Größen wie Drehimpuls und die Fliehkraft –gleichgültig ob man nun darauf besteht, letztere als „Scheinkraft“ aufzufassen oder sie nun doch als real ansieht- lassen sich zwanglos berechnen und erklären. Beide Relativitätstheorien sind daran gescheitert. In den gängigen Lehrbüchern der Physik findet man daher das Thema der rotierenden Körper nur in den Kapiteln zur klassischen Mechanik. Nun erhebt die Physik als exakte Wissenschaft offiziell den Anspruch, sich bereitwillig den strengen Urteilen experimenteller Ergebnisse und dem Grundsatz der Falsifizierbarkeit zu unterwerfen. Von daher sollten gerade die Schwachpunkte von Theorien die größte Aufmerksamkeit auf sich lenken. Was man stattdessen findet ist aber eine Kultur des Verschweigens und der sprachlichen Unschärfe, über die man sich normalerweise keine Rechenschaft ablegt. In den sog. Geisteswissenschaften haben Sprachkritik („Das ist ein ganz schlechtes Buch“) und Interpretation („Was will uns der Dichter sagen?“) zentrale Bedeutung. Es gibt eine ganze Schar hauptberuflicher Literaturkritiker, deren einzige Aufgabe das Kritisieren ist. In der Naturphilosophie (heute meist Physik oder Theoretische Physik genannt) ist das auffälligerweise nicht so. Kritik ist nicht etablierter Bestandteil des Systems, und das ist als ausgesprochener Rückschritt zu werten.
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Hier droht eine ebenso nahe liegende wie unangenehme Frage. Eine Antwort liefert der mathematische Formalismus nicht: Ist die erschienene Verkürzung der Strecke real oder ist sie nur eine perspektivische Vision? Rein logisch betrachtet kann die Verkürzung nicht real sein. Nehmen wir zwei Beobachter. Der eine bewegt sich parallel zu der Strecke, der andere quer. Der eine findet (!) sie verkürzt, der andere nicht. Sie kann doch nicht beides zugleich sein? Oder? Was sagen meine Lehrbücher dazu? Richtig geraten. Nichts. Übrigens: die Forderung an die Gleichzeitigkeit der Messung beider Streckenenden ist nicht so selbstverständlich erfüllbar, wie es der lapidare Lehrbuchtext verlangt.
Wie man findet oder wie es scheint, ist die sprachliche Unschärfe an solchen Stellen im Text keineswegs zufällig. Sprache dient seit jeher in allen menschlichen Bereichen, auch und gerade in der Naturphilosophie, sowohl zur Erklärung des Gewollten als auch zur Verschleierung des Unerwünschten. Keine Mathematik der Welt kann daran etwas ändern. Es ist nun ein Leichtes, die Formel für die Lorentztransformation hier hinzuzufügen.
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Natürlich wäre es naiv anzunehmen, dass Ungereimtheiten einer Theorie, wie sie sich (nicht nur) bei der relativistischen Behandlung eines rotierenden Körpers zeigen, gesetzmäßig zur Bereinigung oder gar Aufgabe dieser Theorie führen würden. Wer dieses unterstellt, übersieht die Triebkräfte (verschärft formuliert: Gesetzmäßigkeiten), nach denen sich das Verhalten gesellschaftlicher Gruppen richtet. Die sind keineswegs deckungsgleich mit den viel beschworenen Gesetzen der Logik oder dem Grundsatz der Falsifizierbarkeit. Menschen wollen meist ganz einfach nicht, dass Denk- oder Glaubenssysteme, denen sie vielleicht Zeit ihres Lebens anhingen, plötzlich „falsifiziert“ werden. Wie soll sich denn ein Physiklehrer fühlen, wenn er einem Schüler zugeben soll: „Also, das, wofür ich dir letztes Jahr eine Fünf gegeben habe, gilt jetzt als insgesamt widerlegt.“ Schrecklich.
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Andererseits haben ART und Quantenmechanik äußerst spannende Geschichten hervorbracht, die schon seit Jahrzehnten ins öffentliche Bewusstsein eingedrungen sind. Man denke da allein nur an den Urknall, die Schwarzen Löcher, die vielen Welten oder den Quantenschaum des Vakuums. Das macht sie stark – und starr. Man bekommt sie bestimmt nicht durch den „nüchternen Blick“ reformiert, den Smolin im Hinblick auf die Unzulänglichkeiten der ART einfordert. „Jahrhundertheorien“ gehören –der Name sagt es schon- sozusagen zum Weltkulturerbe und stehen unter Denkmalschutz. Wer –es sein denn er ist ohnehin Außenseiter- daran massive Kritik vorbrächte, sähe seine Karriere schnell beendet. Es wäre für den Betreffenden weniger schädlich, lauthals etwa den Abriss des Kölner Doms zu fordern.
- 16. Februar 2012
- Artikel