Das Messen zu Mathematismus degradieren?

von Jocelyne Lopez

Ich verweise auf meine Ansprache Am Wesentlichen vorbei?  vom 03.06.2011 an Dr. Markus Pössel, Mitarbeiter vom Albert Einstein Institut und Erfinder der Initiative Einstein online in seinem Blog Was ist eine gute Maßeinheit?:

An Dr. Markus Pössel

Ihre Ausführungen über eine gute Maßeinheit gehen meiner Meinung nach schon im  einleitenden Absatz Ihres Blogtextes am Wesentlichen vorbei bzw. sind missver-ständlich und irreführend: “Was ist eigentlich eine gute Definition für eine Maßeinheit?“

 

Eine Maßeinheit braucht keine Definition.

Eine Maßeinheit ist völlig willkürlich gewählt, ursprünglich hat man irgendeinen Gegenstand ausgewählt und als Maßeinheit erklärt, zum Beispiel einen Stock, einen Knochen, drei hintereinandergelegte Gerstenkörner oder auch einen Daum, einen Fuß, eine Elle, die breite einer gespreizter Hand, den Abstand zwischen den ausgestreckten Armen usw. Während der französischen Revolution haben französische Wissenschaftler den „Meter“ erfunden und als Maßeinheit festgesetzt. Das war ein Holzbalken und seine Länge sollte 1/40 Millionste des Erdumfangs darstellen. Ich sage die Definition auf Französisch, weil sie sprachlich so gut auswendig zu lernen ist und so wunderschön wissenschaftlich klingt, dass man es wohl nie vergisst: „la dix millionième partie du quart du méridien terrestre“.

Natürlich hat dieser Holzbalken nie und niemals genau das 1/40 millionste des Erdumfangs betragen, man hätte sich das Auswendiglernen und das Gefühl des wissenschaftlichen Wissens gerne sparen können. Kein Mensch hat je mit diesem Holzbalken den genauen Erdumfang gemessen, das ist auch nicht möglich, den Umfang der Erde auf ein Meter genau zu messen. Diesen Holzbalken hat ein Zimmermann angefertigt, er wurde „Meter“ genannt und er wurde als Maßeinheit der Länge erklärt. Punkt, fertig, mehr kann man darüber nicht sagen. Und mehr wäre auch nicht notwendig gewesen zu sagen, die Sache mit dem Erdumfang hätte man sich ruhig sparen können. Inzwischen wurde die Länge des Meters mehrmals geändert (zuletzt 1983, wo er verkürzt wurde), sowie seine Definition auch mehrmals geändert – was man sich genauso hätte sparen können wie mit dem Erdumfang.

Eine Maßeinheit braucht keine Definition, sie definiert sich selbst als Unikum mit ihrer physischen Ausdehnung, ihre physische Ausdehnung muß nur per Konvention als Maßeinheit erklärt und von allen anerkannt werden. Man könnte auch die Länge einer Cola-Dose „Meter“ nennen und sie als Maßeinheit erklären, das würde genauso gut funktionieren.

Das ist genauso für die Lichtgeschwindigkeit als Maßeinheit. Zum ersten Mal in der Geschichte der Maßeinheit „Meter“ wurde die Länge immateriell durch eine Relation festgesetzt, durch eine Geschwindigkeit, was zu vielen Verwirrungen geführt hat. Die Lichtgeschwindigkeit als Maßeinheit muß auch nicht eine richtige, gemessene Geschwindigkeit des Lichts entsprechen (man kann auch nicht eine Maßeinheit messen…), sie könnte genauso gut völlig erfunden werden, ihr Wert spielt hier gar keine Rolle, Hauptsache, sie wird per Konvention als Maßeinheit von allen anerkannt und dient durch Vergleich zur Quantifizierung von noch unbekannten Längen. Man hätte auch c=600.000.000 km/s als Maßeinheit festsetzen können, das würde genauso gut funktionieren – nur die Länge des Meters wäre halb so lang, man müsste eine Zeit lang umdenken, um unsere Umgebung räumlich abzuschätzen.

Die Lichtgeschwidigkeit als Maßeinheit muss nicht die richtige Geschwindigkeit des Lichts in der Natur sein, die willkürlich gewählte Geschwindigkeit bestimmt nur die physische Ausdehnung des Meters, mehr nicht.

Und bei der Bestimmung der physischen Ausdehnung des Meters ist das Bestreben sinnlos, die Maßeinheit mit einer Definition zu versehen, die die irrige Vorstellung suggeriert, man könne die Länge eines Objektes bis in seine molekulare oder atomare Struktur hinein messen. Das kann man nicht, auch wenn die Definition es mathematisch erlaubt. Diese Exaktheit ist eine Illusion, das ist lediglich eine trügerische mathematische Exaktheit und sie ist konkret bei einer Messung nicht realisierbar. Man degradiert dabei das Messen, das das Fundament der Physik darstellt, zu Mathematismus.

Auf diese aus meiner Sicht wichtige Problematik, die ich schon im „Blogteil I Einstein verstehen“ ausführlich und mehrfach angesprochen habe, sind Sie bis jetzt nicht eingegangen, auch in diesem separaten Blogtext über Maßeinheiten nicht, siehe meine Beiträge im Teil I:

Beitrag vom 20.05.11
Beitrag vom 20.05.11
Beitrag vom 21.05.11

Könnten Sie hier in diesem speziell für Maßeinheiten eingerichteten Blog bei „Spektrum der Wissenschaft“ auf diese Problematik eingehen?

Viele Grüße
Jocelyne Lopez

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Siehe auch: Einstein verändert unzulässig Maßeinheiten

3 Antworten zu “Das Messen zu Mathematismus degradieren?”

  1. Milan

    Messen kann man nur theoretisch genau, in der Praxis nicht,
    denn 1 x 1 ist nicht 1, sondern ungefähr 1
    Siehe http://www.physik.as / Seite 28

  2. Jocelyne Lopez

    Ich gebe einen Austausch vom 13.06.11 mit Dr. Markus Pössel wieder, aus der Diskussion in seinem Blog Was ist eine gute Maßeinheit?

    Zitat von Dr. Markus Pössel:

    Um nicht ein neues Thema anzuschneiden, bevor wir das alte abgeschlossen haben: Kann ich aus der Tatsache, dass sich Ihre Einwände nur noch auf das Postskriptum beziehen, und zudem nur Messungen auf Pluto oder sonstwo abseits der Erde betreffen, schließen, dass wir jetzt zumindest Einigkeit über die praktisch-irdische Überlegenheit der Meterdefinitionen von 1960 bzw. 1983 über ihre Vorgänger erzielt haben?

    Zitat von Jocelyne Lopez:

    Ich bleibe bei meiner Auffassung, dass man durch eine Definition der Längeneinheit Meter weder genauer noch besser reproduzierbar messen kann: Dies bleibt einzig von der gewährleisteten Unveränderlichkeit der Urmaßstäbe und ihrer Reproduktionen abhängig, sowie von den meßtechnischen Bedingungen. Noch einmal, man misst nicht mit einer Definition, sondern mit Gegenständen (mit Meßinstrumenten, Uhren, Lichtdetektoren), die Definition spielt keine Rolle sobald diese Objekte konkret zum Einsatz kommen, sondern einzig die Beschaffenheiten dieser materiellen Objekte sind maßgebend. Die Möglichkeit einer feineren Unterteilung der Maßeinheiten Meter und Sekunde bedeutet keine genauere Messung, das ist eben nur eine feinere Unterteilung, mehr nicht. Dabei bleibt ein Meter immer ein Meter und eine Sekunde immer eine Sekunde, sobald man die Urmaßstäbe gewählt hat, die ihre eigenen Maßen für alle Vergleiche mit anderen Objekten vorgeben. Man muss per Konvention voll akzeptieren, dass ein Meter immer ein Meter und eine Sekunde immer eine Sekunde ist, sobald sie von den materiellen Urmaßstäben vorgegeben sind, sonst stellt man das ganze Maßeinheitsystem in Frage. Das ist per Konvention zu akzeptieren, die Unveränderlichkeit von Maßeinheiten soll nicht in Frage gestellt werden. Man darf nie behaupten, das ist nicht zulässig, dass ein gemessener Meter in manchen Fällen anders ist als ein Meter und eine gemessene Sekunde anders ist als eine Sekunde, solange sie mit einer exakten Reproduktion (bzw. Synchronisation) der jeweiligen Urmaßstäbe gemessen wurden.

    Aber unsere abweichenden Auffassungen über die Bedeutung der Definitionen von Maßeinheiten sollten uns nicht davon abbringen, weiter in die Einführung „Einstein verstehen“ fortzufahren.

    Viele Grüße
    Jocelyne Lopez

  3. Jocelyne Lopez

    Siehe weitere Austausche zwischen Dr. Markus Pössel und mir aus dieser Diskussion:

    Dr. Markus Pössel: Was ist eine gute Maßeinheit?

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