Anmerkungen zur Relativitätstheorie
von Johannes Rasper
Aus der Homepage von Johannes Rasper:
Seit meiner Jugend war ich von Einsteins Relativitätstheorie fasziniert. Die Tatsache, dass ich diese nicht verstand, hielt ich für normal, da ich ja kein Fachmann war. Nachdem ich Mathematik und Physik studiert hatte, schien die Lage geändert. Einige Zeit glaubte ich, verstanden zu haben, was ich von Professoren oder aus Büchern wusste. Etwas Zweifel bestand allerdings immer. Jahrzehnte nach meiner ersten Begegnung mit dem Thema kam ich zu der Überzeugung, dass etwas nicht stimmen konnte, mindestens mit der speziellen Relativitätstheorie (SRT). Ich traf Menschen,
die dieselbe Fachrichtung studiert hatten und zugaben, dies auch nicht verstanden zu haben oder mit noch weniger verständlichen Erklärungen aufwarteten. Sekundär-literatur war kaum hilfreich, da die kritischen Fragen umgangen oder in einem Nebensatz abgehandelt wurden. Deshalb halte ich mich so weit wie möglich an Einsteins Originaltexte.
Lesen Sie weiter Anmerkungen zur Relativitätstheorie…
- 26. Januar 2012
- Artikel
13. Februar 2012 um 07:25
Sehr geehrter Herr Rasper,
ich habe mittlerweile Ihre Homepage besucht und teile Ihre Haltung, dass Polemik in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung letztlich nicht zielführend ist. Es geht ja nicht um den Wettstreit der Personen, sondern den der Argumente.
Ich teile ferner Ihre Überzeugung, dass die SRT ungelöste logische Probleme enthält. So basiert das spezielle Relativitätsprinzip, um ein Beispiel zu nennen, implizit auf dem Trägheitssatz, d.h. auf der Annahme, dass die geradlinig-gleichförmige Bewegung streng kräftefrei erfolgt. Dies gibt dann die Rechtfertigung, zu behaupten, dass Naturgesetze in allen Inertialsystemen dieselbe Form annehmen, von denen die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit lediglich eines ist.
Doch der Trägheitssatz selbst beruht auf einem ungelösten Paradoxon. Der Physiker und Philosoph C.F. v. Weizsäcker hat in seinem Buch „Aufbau der Physik“ (S. 234, 235) darauf hingewiesen, dass Kraft üblicherweise als Ursache von Zustandsänderungen aufgefasst wird.
Man würde also erwarten, dass eine kräftefreie Bewegung, in der die Bedingung F = 0 gilt, keine Zustandsänderung beinhaltet. Tatsächlich aber erweist sich eine Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit als eine ständige Zustandsänderung ohne erkennbare Ursache. V. Weizsäcker bezeichnet diese Eigentümlichkeit der Trägheitsbewegung als kausale Paradoxie; eine Paradoxie, die – wie er mehrfach betont- von der modernen Physik bisher nicht gelöst sei.
Auf eben dieser Paradoxie beruht das Spezielle Relativitätsprinzip: Es setzt voraus, dass ein sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegender Körper auf ewig (!) diese Geschwindigkeit beibehält, gleichgültig, ob sich dieser Körper mit 1 km pro Sekunde oder 100.000 Kilometer pro Sekunde bewegt. Wäre diese Bedingung nicht erfüllt – würde also beispielsweise ein sich selbst überlassener Körper in Folge von Reibungskräften (im Vakuum) langsamer -, dann könnte das Spezielle Relativitätsprinzip nicht länger als fundamentales Prinzip der Physik aufgefasst werden.
Ich vermute, dass dieses Prinzip in der Tat nur im Bereich kleiner und sehr kleiner Geschwindigkeiten (verglichen mit der Lichtgeschwindigkeit) eine sehr gute Näherung darstellt…
Derlei Überlegungen habe ich in einigen Büchern (und Fachartikeln) dargelegt. Das Buch „Die Linien des Alten – Einsteins letzte Vision“ ist eines dieser Bücher: Es kann kostenfrei vom Dokumentenserver der FU Berlin heruntergeladen werden.
http://edocs.fu-berlin.de/docs/receive/FUDOCS_document_000000002486
Vielleicht finden Sie derlei Überlegungen interessant…
Mit freundlichen Grüssen
H. Hansen
P.S. Ich habe gesehen, dass Sie ebenfalls Mitglied der NPA sind. Ich habe in der Vergangenheit schon einmal die Idee angeregt, eine deutsche Gruppe ins Leben zu rufen. Was halten Sie davon?
31. Januar 2013 um 01:20
Johannes Rasper schrieb:
> Ich beziehe mich nur auf Einsteins Buch [1] […]
> Referenzen:
> [1] A.Einstein: Ueber die spezielle und allgemeine Relativitätstheorie
> Akademie Verlag Berlin, Vieweg + Sohn, Reihe WTB Band 59
> 21. Auflage des Verlages Friedr.Vieweg + Sohn Braunschweig
Das finde ich als Diskussionsgrundlage sehr geeignet.
(Die genannte Ausgabe dieses Buches habe ich selbst zwar nicht direkt zur Verfügung, sondern eine andere; aber das sollte wohl keine Schwierigkeiten bereiten.)
> Experiment 1 (E1): […[ das Eisenbahn-Experiment, wie es Einstein in [1],Par.8,9 beschreibt.
Ganz ideal (für meine Absichten).
> Wir benutzen geringfügig andere Bezeichnungen, da wir etwas mehr als in [1] benötigen.
Gut so! Alles, was zumindest begrifflich unterscheidbar ist, sollte auch entsprechend ungleich benannt/bezeichnet werden. (Und für das, was begrifflich ein-und-das-Selbe ist, sollte immer mit der einen, selben Bezeichnung benannt werden; zumindest in Texten wie diesen, die sich mit Physik bzw. Geometrie beschäftigen, und nicht mit Belletristik.)
> Einstein ist hier nicht besonders präzise, d.h. an folgenden zwei Punkten: […]
Das halte ich für unbestreitbar, und wohl leider sogar noch weitgehender zu beanstanden. Aber immerhin ist Einstein in den genannten Paragraphen doch besonders um Ausführlichkeit und Deutlichkeit bemüht — der Bedeutung des Dargestellten angemessen — sodass es gerade in dieser Hinsicht doch möglich sein sollte, Einvernehmen darüber zu erzielen, was man sich davon wie vorstellen kann oder sollte.
> Wir werden diese Ungenauigkeit beseitigen.
Gut so! (s.o.; ich wüsste nicht, dass Einstein einem solchen Vorhaben widersprochen hätte, sondern glaube eher, dass es ihm gerecht würde).
(Nach dieser anerkennenden Vorrede bin ich zwar etwas beunruhigt darüber, dass man bei entsprechender Sorgfalt nicht schon längst und selbstverständlich Einvernehmen erzielt hätte … 😉
> P1: “Den Stellen A und B entsprechen aber auch Stellen A und B auf dem Zuge.”
> […] Im Zug können wir nicht über A und B reden, sondern müssen zunächst A‘ und B‘ verwenden.
Das finde ich jedenfalls richtig, nützlich und (deshalb) sehr begrüßenswert.
(Diese Idee könnte ja glatt von mir sein! 😉
Sind wir uns schon mal einig, dass mit diesen verschiedenen Bezeichnungen, d.h. „A„, „B„, „O am Punkt M„, „A‘„, „B‘„, „O‘ am Punkt M‘„,
die Vorstellung von konkreten, unterscheidbaren, physischen, beobachtbaren Beteiligten gemeint sein soll?
Dass man also genauso gut z.B. die Namen
„Alice“, „Bob“, „Malcolm“ für diejenigen verwenden könnte, die gemeinsam zum „Bahndamm“ gehörten (bzw. Bestandteile/Gleisschwellen des „Bahndamms“ waren), und
„Jim Knopf“, „Lukas“, „Michel“ für diejenigen, die gemeinsam zum „Zug“ gehörten (als Bremser hinten im Kabäuschen, als Lokführer bzw. als Mitfahrender in einer bestimmten Sitzreihe)
?
(Fortsetzung vorgesehen)
18. Februar 2013 um 22:42
Johannes Rasper schrieb:
> […] Sehen wir uns nun etwas genauer an, was geschieht, wenn die Blitze einschlagen:
> Bei A und A‘
… bzw. beim Treffen von Alice und Jim …
> leuchten die Uhren mit den Zeitstempeln Ta ( in K ) [Anzeige von Alice] bzw. T’a ( in K‘ ) [Anzeige von Jim …] auf.
> Bei B und B‘
… bzw. beim Treffen von Bob und Lukas …
> leuchten entsprechend die Uhren mit den Ständen Tb [Anzeige von Bob] bzw. T’b [Anzeige von Lukas …] auf.
> […] Wie wir sehen, gibt es genau genommen vier Ereignisse, die von zwei Blitzen verursacht [bzw. begleitet] werden
Nein: genau genommen handelt es sich um zwei Ereignisse, jedes mit mehreren Beteiligten (von denen je zwei ausdrücklich benannt wurden); nämlich, offensichtlich
– das Treffen/Passieren von Alice und Jim (u.a.), die dabei auch blitzartig aufleuchten, und
– das Treffen/Passieren von Bob und Lukas (u.a.), die dabei auch blitzartig aufleuchten.
Die Bestandteile dieser beiden Ereignisse, also die Anteile, die die verschiedenen einzelnen unterscheidbaren Beteiligten jeweils daran haben, sollten genau genommen nicht ebenfalls „Ereignisse“ genannt werden; sondern, geeignet anders, z.B. „Anzeigen“.
Wie wir sehen, wurden also vier Anzeigen beschrieben:
– die Anzeige von Alice (alias „Ta“) beim Treffen/Passieren von Alice und Jim,
– die Anzeige von Jim (alias „T’a“) beim Treffen/Passieren von Alice und Jim,
– die Anzeige von Bob (alias „Tb“) beim Treffen/Passieren von Bob und Lukas, sowie
– die Anzeige von Lukas (alias „T’b“) beim Treffen/Passieren von Bob und Lukas.
(Anzeigen, die gemeinsam zum selben Ereignis gehören, nennt man übrigens „einander koinzident“.)
Dabei ruhten Alice und Bob (als auch Malcolm, als „Mitte zwischen“ Alice und Bob) zueinander; sie waren gemeinsam Mitglieder des „Inertial-Systems K„.
Und Lukas und Jim (als auch Michel, als „Mitte zwischen“ Lukas und Jim) ruhten zueinander; sie waren gemeinsam Mitglieder des „Inertial-Systems K‘„.
Das bedeutet selbstverständlich auch: keines der Mitglieder von K ruhte gegenüber irgendeinem Mitglied von K‘, und umgekehrt.
Und damit zusammenhängend, ebenso selbstverständlich:
Malcolm war nie „Mitte zwischen“ Lukas und Jim; und
Michel war nie „Mitte zwischen“ Alice und Bob.
> Diese Art von Ereignis wird Punktereignis genannt
Richtig; das ist hier, im Zusammenhang mit der RT mit „Ereignis“ gemeint (und das stellt eine gewisse Idealisierung dessen dar, was umgangssprachlich als „Ereignis“ gelten mag).
> […] kann es keinen Bewegungszustand besitzen, der eine Zuordnung zu einem bestimmten [Inertial-]System rechtfertigen könnte.
Richtig; jedes der beiden o.g. Ereignisse („Treffen/Passieren von Alice und Jim“ bzw. „Treffen/Passieren von Bob und Lukas“), und jedes Ereignis im Allgemeinen, hat mehrere verschiedene Beteiligte, die dabei nicht zueinander ruhten, sondern sich trafen/passierten.
> […] Einsteins Schluss, dass O‘ [bzw. Michel … die Anzeigen beim Treffen/Passieren von Bob und Lukas] früher sieht [als die Anzeigen beim Treffen/Passieren von Alice und Jim], ist unverständlich.
(Darauf möchte ich in meinem nächsten Kommentar näher eingehen.)
14. März 2013 um 21:24
Johannes Rasper schrieb:
> > Einsteins Schluss, […]
Einsteins Beschreibung (in §9 der o.g. Referenz [1]), aufgrund der er zur Schlussfolgerung gelangt, lautet im Wesentlichen (wörtlich, ohne Berücksichtigung der oben diskutierten sorgfältigeren Namensgebungen):
Wie oben gesehen, ergibt sich bei sorgfältigerer Unterscheidung und Bezeichnung der Beteiligten (die auch Einstein übrigens in §10 doch einsetzt) selbstverständlich, dass „M‘ der Mittelpunkt der Strecke A‘–B‘ des fahrenden Zuges“ sein soll; bzw. um zu unterstreichen, dass es sich bei den Bestandteilen des Zuges (einschl. Mitreisender) um handfeste, unterscheidbare, urteilskräftige Beteiligte handelt: dass „Michel die Mitte zwischen Jim und Lukas“ sein soll.
Zweifellos passiert jeder Bestandteil des Zuges (in der Reihenfolge Lukas – Michel – Jim) jeden Bestandteil des Fahrdamms (in der Reihenfolge Alice – Malcolm – Bob).
Und schon in §8 ist beschrieben, wie geeignete Bestandteile des Fahrdamms (also bestimmte zueinander ruhende Beteiligte) „Gleichzeitigkeit“ untereinander beurteilen sollen; natürlich u.a. auch unter Beteiligung der „Mitte zwischen Alice und Malcolm“ sowie der „Mitte zwischen Malcolm und Bob“.
Demnach lässt sich als Versuchsanordnung vorgeben (und experimentell prüfen), dass (bzw. ob) Malcolms Anzeige der Passage von Michel sowohl gleichzeitig zu Alices Anzeige der Passage von Jim als auch gleichzeitig zu Bobs Anzeige der Passage von Lukas war; und entsprechend auch Alices Anzeige der Passage von Jim gleichzeitig zu Bobs Anzeige der Passage von Lukas war.
Unter dieser Bedingung sind die Vorgaben eben miteinander verträglich, dass Malcolm die Mitte zwischen Alice und Bob sein soll und Michel die Mitte zwischen Lukas und Jim. („Offensichtlich; aus Symmetriegründen“. Im Zweifelsfalls sollte sich das natürlich genauer herleiten lassen.)
Und weil demnach Malcolm zuerst die Passage von Michel wahrnahm, und erst deutlich danach das Aufblitzen von Alice und Jim bei ihrem Treffen sowie (zusammen damit) auch das Aufblitzen von Bob und Lukas bei ihrem Treffen, sollte die Schlussfolgerung nicht wundern, dass Michel (den zuerst die Passage von Alice wahrnahm, danach die Passage von Malcolm, und schließlich die Passage von Bob) deutlich nach der Passage Malcolms zuerst das Aufblitzen von Bob und Lukas bei ihrem Treffen wahrnahm, und erst deutlich danach wiederum das Aufblitzen von Alice und Jim bei ihrem Treffen (und schließlich die Passage von Bob).
Wichtig und sicher interessant ist aber noch die Frage zu klären, ob und welche entsprechende Versuchsanordnung auch „vom Zug aus beurteilt“ formulierbar ist.
Denn die unmittelbare Umkehrung des oben Beschriebenen soll ja gerade nicht zugetroffen haben:
Jims Anzeige der Passage von Alice soll gerade nicht gleichzeitig zu Lukas‘ Anzeige der Passage von Bob sein …
(Fortsetzung vorgesehen)
26. April 2013 um 16:21
Vorlaeufige und Teil-Antwort (da noch Fortsetzung vorgesehen ):
——————————————————–
Zitat:
Nein: genau genommen handelt es sich um zwei Ereignisse, jedes mit mehreren Beteiligten (von denen je zwei ausdrücklich benannt wurden); nämlich, offensichtlich
– das Treffen/Passieren von Alice und Jim (u.a.), die dabei auch blitzartig aufleuchten, und
– das Treffen/Passieren von Bob und Lukas (u.a.), die dabei auch blitzartig aufleuchten.
——————————————————–
Ob man zwei Punktereignisse, die zur gleichen Zeit am gleichen Ort stattfinden, als ein oder zwei Ereignisse zaehlt ist eigentlich eine unnoetige Unterscheidung. Relevant sind dagegen folgende Dinge:
1. Eine Bewegung relativ zu einem Punktereignis kann nicht definiert und daher schon gar nicht gemessen werden.
2. Licht, das von den zwei Punktereignissen ausgeht (zwangslaeufig gleichzeitig), trifft auch bei jedem bel.Beobachter dort gleichzeitig ein.
Beide Punkte widersprechen Einsteins Folgerung, dass ein Beobachter ein Ereignis im anderen System frueher sieht ( 2.) als das andere. Die Zuordnung von Punktereignissen zu einem System ist wegen 1.
nicht moeglich.