The Special Theory of Relativity: a critical Analysis
von Louis Essen
The Special Theory of Relativity: a critical Analysis
Louis Essen
Oxford University Press, 1971 – Amazon
Das GOM-Projekt referiert stichwortartig in seiner Dokumentation diese Arbeit von Louis Essen:
– Louis Essen referiert die Merkwürdigkeiten, die ihm Anlaß zur kritischen Analyse geben.
– Die Theorie und ihr Urheber werden einerseits hymnisch gepriesen; andererseits werden ständig Erklärungen der Theorie veröffentlicht, die jedoch in wichtigen Aspekten stark differieren; stärker als in anderen Themen werden von den Autoren stark emotionale Töne eingetragen; Kritiker der Theorie werden als Fanatiker oder als Leute mit zu geringer mathematischer Bildung abgetan, die überhaupt nicht in der Lage sind, die Theorie zu verstehen. Die Betonung der Mathematik „is puzzling because, as we shall see, parts of Einstein’s papers that are often criticized involve no mathematics“ (S. 1).
– Während Einstein weder Arbeiten von H. A. Lorentz und H. Poincaré zitiert, erklärt E. Whittaker (1953) in seiner eingehenden Studie die Theorie gerade als Werk von Lorentz und Poincaré.
– H. Dingle und E. Rutherford lehnen die Theorie ab. Der seltsamste Aspekt der Theorie ist der Gebrauch von Gedanken-Experimenten: der Begriff ist ein Widerspruch in sich selbst; ein Gedankenexperiment kann keine neuen Kenntnisse verschaffen. Trotz dieser unbefriedigenden Sachlage wird die Theorie allgemein akzeptiert; in den Universitäten wird sie unkritisch gelehrt, und sie soll demnächst Lehrstoff der Schulen werden.
– Die eigene Wiederholung des Michelson-Morley-Versuchs 1955 mit kurzwelliger Strahlung und die Einführung der Atomuhren haben seine nähere, kritische Beschäftigung mit der Theorie veranlaßt (S. 2).
– Die in Einsteins Gedankenexperimente vorkommenden Synchronisationen entfernter Uhren sind durch die Atomuhren heute eine tägliche Routine; sie enthüllen die Fehlerhaftigkeit der Gedankenexperimente. Stellt fest: „In the existing climate of opinion, one needed to be very confident to speak of definite errors in the theory“ (S. 3).
– Beschränkt seine Kritik ausdrücklich auf innere Widersprüche der Theorie (S. 3).
– Die behauptete C-Konstanz ist in Einsteins Arbeit 1905 unklar definiert; in ihrer überwiegenden Inter-pretation schließt sie den Dopplereffekt aus, obwohl er existiert (S. 5).
– Die Längenkontraktion und Zeitdilatation sind keine physikalischen Phänomene, sondern von Einstein eingeführte Änderungen der Maßeinheiten, um die gewünschten Rechnungsergebnisse zu erhalten (S. 6).
– Die Atomuhren haben eine derart hohe Ganggenauigkeit, daß die Synchronisierung über den ganzen Erdball völlig unproblematisch durchgeführt wird: die angebliche Relativität der Gleichzeitigkeit spielt keine Rolle (S. 8).
– Das Uhrenparadoxon widerspricht der Symmetrie des Relativitätsprinzips: die behauptete Asymmetrie ergibt sich auch nicht aus dem beschriebenen GEDEX (S. 12).
– Analysiert und vergleicht die Versionen mehrerer Autoren vom Uhren-Paradoxon (S. 12- 17). Ergebnis: „The paradox does not follow from the theory and is the result of confusing the quantities being measured in a thoughtexperiment“ (S. 18).
– Zur Allgemeinen Relativitätstherie führt Einstein eine rotierende Scheibe ein, mit einer Uhr am Rand und einer Uhr im Mittelpunkt: Einstein behauptet, die Uhr am Rand geht langsamer als die im Mittelpunkt; dies widerspricht dem Relativitätsprinzip (S. 19).
– In Einsteins Behauptung einer Frequenzänderung im Gravitationsfeld werden weder physikalische Erklärungen noch logische Überlegungen gegeben (S. 20).
– Ergebnis: Die Theorie besteht aus einer Anzahl von Widersprüchen und fügt nichts Bedeutendes zur Lorentz-Theorie hinzu (S. 20). „There is no experimental support for the theory“ (S. 21).
– Bezeugt mit Autorität die Methoden der Theoriedurchsetzung in nobel zurückhaltenden Worten, mit britischem Understatement: Essen ist der „Vater der Atomuhr“ und Spezialist für Elektrodynamik.
– Einer der ganz wenigen Kritiker, die den Relativisten sagen, daß man aus Gedanken, die man für Experimente hält, trotzdem keine Erkenntnisse gewinnt! Weist ihnen übrigens nach, daß ihre Ergebnisse obendrein oft den Voraussetzungen widersprechen.
– Kritiker der Theorie müssen aber „very confident“ sein, d.h. sie müssen tapfer sein, Mut haben!
So weit ist es seit 1920 gekommen: Physik als Charakterfrage und Mutprobe.
Weitere Kurzreferate über Arbeiten von Louis Essen aus der Dokumentation von G.O. Mueller:
1957 – The clock paradox of relativity. In: Nature. London. Vol. 180. 1957, Nr. 4594, S. 1061-1062.
Aus dem Relativitätsprinzip folgt vollständige Reziprozität: deshalb zeigt die bewegte Uhr nach ihrer Rückkehr dieselbe Zeit wie die am Ausgangspunkt zurückgebliebene Uhr; „the observations on M and S are completely symmetrical and there is no paradox“ (S. 1062).
– Viele Autoren und auch Einstein selbst akzeptieren das paradoxe Ergebnis und erklären es mit den Beschleunigungen während der Reise: „This argument is, I think, illogical. An imaginary experiment can yield only a result which is already present in some form in the data given. Since no data concerning the effects of acceleration are included, the result cannot be a consequence of acceleration“ (S. 1062).
– Hält seine Kritik für sehr grundsätzlich: „Many textbooks need to be revised, and as the paradox seems to be confirmed by the general theory of relativity some aspects of this theory may need to be critically examined“ (S. 1062).
– Die von Essen gewählte englische Bezeichnung „imaginary experiment“ für Einsteins geliebte „Gedankenexperimente“ sollte als Rückübersetzung in die deutsche Fachliteratur eingehen: entweder als „imaginäre“ oder „eingebildete“ Experimente wären sie zutreffend bezeichnet und die Grundlage der Theorie aufs schönste von aller Verkleidung durch „Gedanken“ befreit.
– Auch zum Inhalt sagt Essen das Entscheidende: die eingebildeten Experimente ergeben nur das, was vorher schon hineingesteckt wurde, also keine neue Erkenntnis.
1963 – The clock paradox. In: IEE. Journal of the Institution of Electrical Engineers. 9. 1963, April, S. 166.
Wilkinson behauptet eine Asymmetrie der beiden Uhren, und sie beruhe nicht auf Beschleunigung. Deshalb fragt Essen nach der physikalischen Ursache für die Asymmetrie und weist Wilkinson nach, daß er selbst sie durch die Anwendung verschiedener Koordinaten für Erde und Reisenden eingeführt hat. Die Spezielle Relativitätstheorie läßt es zu, für die beiden Uhren volle Gegenseitigkeit anzunehmen und ein gegenteiliges Ergebnis zu erhalten. Weist auf erhebliche Veränderungen in Einsteins Veröffentlichungen von 1905 und 1918: aus der ‘Zeit der bewegten Uhr, gesehen von einem stationären Beobachter’ wird ‘die Zeit der bewegten Uhr’; und anstatt daß sie langsamer zu gehen scheint, gesehen von dem stationären Beobachter, geht sie jetzt langsamer. Essen weist darauf hin, daß beiden Fällen verschiedene Meßanordnungen zugrundeliegen; er hält diese Veränderung und ihre Rezeption in der Literatur für die Ursache der Behauptungen des Uhrenparadoxons.
Essens sorgfältige Analyse der Wandlungen von Theorieformulierungen im Laufe der Jahre ist vorbildlich und kann noch mehr Merkwürdigkeiten und Widersprüche aufdecken: z. B. Einsteins beziehungs- und bezugslos „ruhendes System“ – als ob es kein Relativitätsprinzip gibt – in den einleitenden Passagen in seiner Ur-Kunde 1905, das bisher in der Literatur unbemerkt geblieben ist und die Ursache für wirklich alle Widersprüche der Theorie liefert.
- 12. April 2012
- Artikel
12. April 2012 um 09:14
Herzlichen Dank für diese wunderbare Darstellung!
Sie erscheint übrigens zum 160. Geburtstag des Mathematikers Ferdinand Lindemann. Essen konnte damals allerdings nicht wissen, daß Lindemann der Urheber der Relativitätstheorie ist. Deutschen Wissenschaftshistorikern hätte es anhand des ihnen zugänglichen Schrifttums auffallen müssen.