Das Relativitätsprinzip der Elektrodynamik

von Otto Berg

Das Relativitätsprinzip der Elektrodynamik
Otto Berg

In: Abhandlungen der Fries’schen Schule, 1910
NF. Bd 3, H. 2., S. 333-382 (= S. 1-50).
Vandenhoeck und Ruprecht, 1910

Das GOM-Projekt referiert stichwortartig  in seiner Dokumentation diese Arbeit von Otto Berg:
 

Otto Berg kommentiert Minkowskis einleitende Sätze über den „experimentell-physikalischen Boden“ aus dessen Vortrag in Köln 1908: „Mancher Philosoph wird bezweifeln, daß Anschauungen über Raum und Zeit überhaupt auf experimentell-physikalischem Boden erwachsen können. Wir wollen in den nachfolgenden Betrachtungen den Standpunkt des Physikers nicht verlassen. Wir werden die Entwickelung der neueren Elektrodynamik ein wenig verfolgen und werden dann sehen, wie das in seiner Form zunächst recht paradox erscheinende Relativitätsprinzip als Produkt der natürlichen Entwickelung wissenschaftlicher Anschauungen entsteht. Wir wollen dann ferner die experimentellen Grundlagen dieses Prinzips kritisch betrachten und die Grenzen aufsuchen, die nach der metaphysischen Seite hin von dem Physiker eingehalten werden können und müssen“ (S. 333).

– Beginnt seine Erörterung des Relativitätsprinzips (RP) mit Bekanntgabe seiner willkürlichen Festsetzung des Bezugssystems (wählt Fixsternhimmel) (S. 359).

– Erst Minkowski, in dessen Arbeiten „die Physik mehr denn je in der Mathematik aufgeht“ (S. 375), hat aus der Theorie metaphysische Schlußfolgerungen gezogen bezüglich Raum und Zeit, durch Konstruktion der Raum-Zeit mit „Weltpunkten“ und „Weltlinien“ (S. 376).

– Das RP kann jedoch niemanden zwingen, die Gleichzeitigkeit (GLZ) zu verneinen und die Minkowski-Welt anzunehmen. Der Begriff der GLZ wird z. B. durch die klassische Mechanik klar begründet: der Satz von der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung postuliert die GLZ von entfernten Ereignissen; „z. B. müßte gleichzeitig sein die Stellung des Mondes an einem bestimmten Punkte seiner Bahn und seine Gravitationswirkung auf die Erde, welche die Flut hervorruft“ (S. 377). Ob die Physik in der Lage ist, „eine solche Gleichzeitigkeit hinreichend exakt für Zeitübertragungen zu verwenden, ist im Prinzip gleichgültig“ (S. 377).

– In der Theorie soll ein spezieller physikalischer Vorgang, nämlich die Lichtausbreitung, besondere Bedeutung erhalten durch die Behauptung der Lichtgeschwindigkeit (C) als für jeden Beobachter gleich (C-Konstanz) und als größte anzutreffende Geschwindigkeit überhaupt (CMaximalität). Für die behauptete C-Maximalität gibt es keinerlei Anhaltspunkt; sie kann jederzeit durch die Messung einer höheren Geschwindigkeit widerlegt werden (S. 377). Auch die C-Konstanz ist durch die Erfahrung nicht begründet. Bei Messung des Sternlichts, dessen Quellen sich im Visionsradius gegen uns bewegen, tritt die Dopplersche Verschiebung der Spektrallinien auf: hierzu gibt es zwei Deutungsmöglichkeiten; die Einsteinsche mit C-Konstanz führt zur Deutung als Frequenzänderung; viel näher liegend ist jedoch die Deutung bei gleichbleibender Frequenz als Geschwindigkeitsänderung (S. 378).

– Möglicherweise muß man die Maxwellsche Theorie fallen lassen; dann bietet die einzige Alternative W. Ritz (S. 379).

– Auch mit Maxwell-Theorie können sämtliche Negativ-Ergebnisse der Versuche über den Einfluß der Erdbewegung auf optisch-elektrische Versuche ohne RP erklärt werden (S. 379-380). Der Michelson-Morley-Versuch hat keineswegs den absoluten Wert für C gemessen (S. 380).

– Es gibt eine Transformation zwischen bewegten Systemen ohne das RP: führt die Gleichungen aus und zeigt, daß dann die gegenseitigen Bestimmungen der Geschwindigkeiten in beiden Systemen nicht mehr übereinstimmen; dieses Ergebnis ist „gewiß nicht unwahrscheinlicher als das Superpositionsgesetz“ in der Speziellen Relativitätstheorie (S. 380). Damit würde ein System vor dem anderen ausgezeichnet, Maxwell-Gleichungen bleiben kovariant, Negativ-Ergebnis des Michelson-Morley-Versuchs wird erklärt über die Wirkung der Erdbewegung (S.381).

– Ergebnis: Der Michelson-Morley-Versuch beweist nichts über die C-Konstanz, andere experimentelle Bestätigung fehlt; das RP ist nicht aus der Erfahrung hergeleitet, kann noch bestätigt oder widerlegt werden (S. 382).  Nach Mohorovicic 1925 (Klärung) die erste kritische zusammenfassende Darstellung überhaupt.

– Liefert zur Einführung eine ausgezeichnete Problemgeschichte der Elektrodynamik (S. 336-357). Legt für eine physikalisch akzeptable Behandlung des Relativitätsprinzips seine willkürliche Wahl eines Bezugssystems fest – was man in Einsteins Ur-Kunde 1905 vergeblich sucht! Stattdessen führte Einstein unauffällig-heimlich sein bezugs- und beziehungslos „ruhendes System“ ein.

– Fundamental begründete Zurückweisung der Theorie mit rein physikalischer Argumentation.

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