Zur Lehre von Raum und Zeit

von Franz Brentano

Zur Lehre von Raum und Zeit
Franz Brentano

[Manuskript datiert: 23. 2. 1917]  aus dem Nachlasse Franz Brentanos;
hrsg. v. O. Kraus. In: Kantstudien. 25. 1920, S. 1-22; Nachw. d. Hrsg.: S. 22-23.
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Das GOM-Projekt referiert stichwortartig in seiner Dokumentation diese Arbeit von Franz Brentano:

– Newton hat den Fehler gemacht, mit dem Gedanken einer absoluten Raum- und Zeitbestimmung (der begründet ist) mit dem Gedanken einer absoluten für sich bestehenden Zeit unauflösbar zu verknüpfen („was zu nichts als einer unnützen Verdoppelung führt“, weil die räumlichen und zeitlichen Dinge diese schon als absolute Eigenheiten besitzen) (S. 10).

– Relativisten bestreiten gern, „daß etwas sei, wenn man es nirgends in der Erfahrung gegeben findet“ (S. 11): dagegen gilt, daß Begriff und Anschauung zwar das individuell Gegebene nicht vollständig erfassen, aber sehr wohl Erkenntniswert haben; „der Mangel jedweder spezifischer absoluter Größe ist undenkbar. So ist mir denn immer jene Behauptung bloßer Relativität von Zeitlichem und Räumlichem bei den Physikern grotesk erschienen“ (S. 12).

– Hält zwar Newtons Vorstellung von absolutem Raum und Zeit für überflüssig, dagegen absolute Maßbestimmungen für unerläßlich, was relative Bestimmungen einschließt: „wir protestieren nur gegen die Lehre von absoluter Unbestimmtheit“ (S. 13).

– „Neuere Physiker“ – gemeint sind Minkowski und Anhänger – haben als weiteren „absonderlichen Gedanken“ die vierdimensionale Raumzeit als einheitlichen Begriff entdeckt: eine „Konfusion von Räumlichem und Zeitlichem“, ein „jämmerlicher Rückschritt“ (S. 14-15); fragt, wie es nach dieser Lehre überhaupt dazu hat kommen können, daß seit jeher zwischen Raum und Zeit streng unterschieden worden ist? Grund: der fundamentale Unterschied liegt „für jeden zutage“; räumlich Verschiedenes kann voneinander im räumlichen Abstand existieren – zeitlich Verschiedenes dagegen nicht, weil nur das Gegenwärtige existiert (das Vergangene nicht mehr, das Zukünftige noch nicht) (S. 14).

– Sieht durchaus eine gewisse Analogie zwischen Raum und Zeit, aber „nichts ist, außer was zeitlich, beziehungsweise gegenwärtig ist“ (S. 17): der Existenzbegriff schränkt das Zeitliche auf das Gegenwärtige ein und macht es unvergleichbar dem Räumlichen.  Als „Lehre von absoluter Unbestimmtheit“ ist die Theorie in ihrem Wesen erkannt und ihr Grundwiderspruch aufgedeckt: sie leugnet bestimmte Erkenntnismöglichkeiten ohne Ersatznachweis anderer sicherer Annahmen, ohne die kein Mensch denken kann. Geradezu zwangsläufig gerät sie in unheilbare Widersprüche. Deshalb ist die Theorie nicht nur ein Irrtum, sondern ein Rückschritt.

Eine Antwort zu “Zur Lehre von Raum und Zeit”

  1. Peter Rösch

    Franz Brentano ist mit dem Schöpfer der Relativitätstheorie, Ferdinand Lindemann in München, in brieflichem Gedankenaustausch gestanden.

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