Kritik der Einsteinschen Gravitationsgleichungen

von Alfred Bucherer

Das GOM-Projekt referiert stichwortartig in seiner Dokumentation drei kritische Arbeiten von Alfred Bucherer:

1923 – Die Planetenbewegung auf Grund der Quantentheorie und eine Kritik der Einsteinschen Gravitationsgleichungen
Röhrscheid 1923. 21 S.

Bucherer analysiert als „Einleitung“ (S. III-X) die Lichtausbreitung gemäß Spezieller Relativitätstheorie und Allgemeiner Relativitätstheorie, sowie die Interpretation der
Transformationsgleichungen durch Lorentz und Einstein. Untersucht die Begründungen Einsteins für seine Behauptung von der Invarianz der Naturgesetze in der Theorie der Gravitation: Einstein hat „die Idee der Invarianz der Lichtgeschwindigkeit zu einer allgemeinen Invarianz der Naturgesetze erweitert“ (S. VI); dies stößt auf Schwierigkeiten. Schon P. Lenard hat darauf hingewiesen, daß sich „das Gesetz der Lichtausbreitung … bei der relativen Bewegung beschleunigter Systeme und deshalb auch in Schwerefeldern gemäß dem Äquivalenzprinzip als nicht invariant“ erweist (S. VI).

– „Die Aussage, ein Elektron habe kugelsymmetrische Eigenschaften, hat den Charakter eines Naturgesetzes. Durch die relative Bewegung wird das Elektron aber zu einem Sphäroid deformiert, und man würde folgern dürfen, das genannte Gesetz wäre nicht invariant gegenüber Änderungen des Standorts des Beobachters“ (S. VII).

– Im Gravitationsfeld hat jede Änderung des Standorts eine Änderung des Gravitationsfeldes zur Folge: „Die Metrik des Gravitationsfeldes ist relativ“ (S. VIII). Weil das Schwerefeld durch den Standort des Beobachters mitbestimmt wird, „enthalten die Bewegungsgesetze die Parameter des Standorts. Die von Einstein postulierte Invarianz des Gravitationsgesetzes besteht nicht“ (S. IX).

– Entwickelt im Hauptteil (S. 1-19) eine eigene Gravitationstheorie aus den bis dahin (1923) gesicherten Erkenntnissen der Quantenhypothese und vergleicht seine Theorie mit der Einsteins im Hinblick auf die Aussagen über den Perihel des Merkurs und der anderen Planeten des Sonnensystems, vgl. Tabelle der Daten nach Bucherer, Einstein und Beobachtungen (S. 15); es differieren die Aussagen der beiden Theorien untereinander erheblich, und nochmals die beobachteten Werte z.T. eklatant von beiden Theorien.

Thematisiert mit der angeblichen Invarianz der Naturgesetze und ihrer Hinfälligkeit für mehrere Fälle einen selten kritisierten Aspekt beider Theorien. Bucherer kommt zu dieser begrenzten Kritik unter Anerkennung der anderen Grundaussagen der Theorie: um so mehr müßte sie – als theorieimmanente – die Relativisten beeindrucken.

Die Tabelle der Perihelbewegungen zeigt schlagend, daß von der in allen Medien bisheute bejubelten angeblichen „Bestätigung der Allgemeinen Relativitätstheorie  durch die Merkurperihel-Erklärung“ keine Rede sein kann; für die Venus gar berechnet Einstein 8,6’’, beobachtet werden minus(!) 7,8’’, d.h. keine Präzession, sondern ein Zurückbleiben, also schlicht das Gegenteil!

– Bestätigt wieder die Erfahrung, daß die Relativistik stets in vorsätzlich beschränkten Konstruktionen entwickelt wird (2 Inertialsysteme; Mann im Kasten eingeschlossen; ein einziges Planetenperihel), die Schlüsse daraus aber universalste und „revolutionäre“ Geltung haben sollen: eine Art Blinde-Kuh-Physik, der man nur die Binde abnehmen muß, damit sie die gegenteilige Wirklichkeit sieht: Perihelverzögerung der Venus! Es ehrt Bucherer, daß er auch die Diskrepanzen zu seiner eigenen Theorie nicht zu harmonisieren sucht und auf weitere, genauere Beobachtungen baut

 

1924 – Die Planetenbewegung auf Grund der Quantentheorie und eine Kritik der Einsteinschen Gravitationsgleichungen
2. Auflage, erweitert durch eine allg. Kritik der Einsteinschen Relativitätstheorie — Bonn: Röhrscheid 1924. 42 S.

Vorwort (S. III-IV): Zitiert einen Ausspruch Minkowskis (allerdings ohne Quellenangabe): die Spezielle Relativitätstheorie „sei ein Geschenk des Himmels, das die Sterblichen ohne Kritik hinzunehmen hätten“ (S. III); diese Haltung ist offensichtlich allgemein akzeptiert worden und hat zu der „kritiklosen, resignierten Haltung vieler Physiker“ geführt. Den Kritikern der Theorie „wird es von Herrn Einstein und seinen Anhängern nicht leichtgemacht, zu Wort zu kommen… Der Verfasser hat hierin auch seine Erfahrungen machen müssen“ (S. III).

– Für die Hauptlinien der Argumentation vgl. 1. Auflage 1923.  Neu in der 2. Auflage ist u.a. die Klage über die Unterdrückung der Kritik.

– Das Minkowski-Zitat ist, wenn es aus einer Quelle belegt werden kann, ein direkter Beweis, wie die Kritiker sich ihn nicht klarer wünschen könnten, daß mit Einsteins Theorien kein neues Wissensgebiet, sondern eine regelrechte Physik-Kirche mit allen dafür charakteristischen Merkmalen begründet worden ist, unter Mitwirkung fast der gesamten Prominenz in Deutschland, England und Frankreich: ein erstaunlicher, von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommener und bis heute in seinen Motiven unerklärter Vorgang.

 

1924 – Die Rolle des Standorts in der Relativitätstheorie: e. Antwort auf die Kritik des Hrn. A. Wenzl
In: Annalen der Physik. F. 4, Bd. 73 (=378). 1924, S. 397-402.
Stellungnahme zu A. Wenzl, Bd. 72. 1923, S. 457. – Berichtigung in: Bd. 74. 1924, Nr. 9, S. 104.

A. Wenzl hatte Bucherer 1923 (Planetenbewegung) diskutiert und Bucherers Anwendung des Äquivalenz-prinzips außerhalb des Einsteinschen Kastens kritisiert.

Bucherer begründet seine Auffassung, unter einer jetzt neuen Annahme: „daß die Zeitdilatation der spez. Relativitätstheorie wegen ihrer inneren Widersprüche, wie der Verfasser annimmt, nicht besteht“ (S. 399). Unter diesem Vorbehalt erkennt er an, daß „die Gravitationsgleichungen für frei bewegliche Systeme, und nur für diese, invariant sind. Dann muß die Einsteinsche Formel für die Rotverschiebung falsch sein. Sie enthält das Potential der Erde!“ (S. 399). 

– Begründet den Fehler in Einsteins Gravitationstheorie: „Die kinematischen Beziehungen der Relativitätstheorie reichen nicht aus, um zu einer berechenbaren Bewegung des Merkur zu gelangen. Es muß eben ein außerhalb der Relativitätstheorie gelegenes Prinzip hinzukommen und dieses habe ich in dem Satz der Quantentheorie entdeckt, nämlich, daß die Energie der Lichtschwingungen proportional der Frequenz ist“ (S. 401).  Bedeutsam ist die Kritik an der beschränkten Betrachtungsweise: die reine Kinematik reicht nicht aus, weil physikalische Vorgänge in dieser Welt stets mit Kraftwirkungen aus Energiepotentialen kausal verbunden sind.

– Beeindruckend ist Bucherers Bestreben, der 1909 die Spezielle Relativitätstheorie voll vertreten hatte, noch möglichst weitgehend im Rahmen der Einsteinschen Theorie zu argumentieren – obwohl ihm in dieser Arbeit schon der Glaube an die Zeitdilatation abhandengekommen ist: der Ablösungsprozeß dieses Autors beginnt anscheinend 1923; in Bucherer 1924 (Planetenbewegung, 2. Aufl.) berichtet er schon davon, daß „Herr Einstein und seine Anhänger“ die Kritiker der Theorie nicht mehr „zu Wort kommen lassen“.

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