Über Einsteins Äquivalenzhypothese und die Gravitation
Über Einsteins Äquivalenzhypothese und die Gravitation
Friedrich Kottler
In: Annalen der Physik, 1916, F. 4, Bd. 50, S. 955-972
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Das GOM-Projekt referiert stichwortartig in seiner Dokumentation diese Arbeit von Friedrich Kottler:
– Kottler erklärt seine vorliegende Arbeit als vorläufig, weil wegen Militärdienst abgebrochen.
– Schreibt 1916: „Einstein hat seither die Äquivalenzhypothese aufgegeben“ (S. 955).
– Entwickelt eine eigene Theorie: setzt hierzu die Einsteinsche Äquivalenzhypothese (1911) voraus; seine eigenen früheren Arbeiten haben jedoch die „Zulässigkeit der Beschleunigungsrelativität nur für eine einzige spezielle beschleunigte Bewegung ergeben, wenn anders man daraus ein Gravitationsfeld ableiten will, nämlich für die Fallbewegung“ (S. 955). Kottler betrachtet „die Bewegung im Gravitationsfeld als kräftefrei“, ändert also das Trägheitsgesetz ab (weil nun auch eine beschleunigte Bewegung als Trägheit gelten soll) und deutet die Gravitation als reine Trägheitserscheinung. Dies erscheint ihm als „strenge Konsequenz der Äquivalenzhypothese und daher nur gleichzeitig mit ihr verwerflich“ (S.955).
– Will untersuchen, was für eine Gravitationstheorie aus der Äquivalenzhypothese zu folgern wäre. Vorläufiges Resultat, beschränkt auf den Fall des Feldes eines Massepunktes: gegenüber der Einsteinschen Theorie ist seine Theorie (a) einfacher, (b) faßt die Gravitation rein kinematisch auf und (c) liefert „nur unwesentlich“ andere Ergebnisse (S. 956).
– Kritisiert die Einsteinsche Äquivalenzhypothese: (a) die Annahme, daß der Beobachter seine eigene beschleunigte Bewegung nicht wahrnehme, ist „auf dem Boden des Einstein-Minkowskischen Relativitätsprinzips im allgemeinen nicht stichhaltig“ (S. 958); (b) Einstein beschränkt seine Beschleunigungsrelativität auf den freien Fall, und dafür gilt sie: „unzulässig ist nur die von Einstein implizierte postulierte Beschleunigungsrelativität für andere beschleunigte Bewegungen, eine Behauptung, die sich in seinen späteren Arbeiten wiederholt, ohne daß freilich Anwendungen von ihr gemacht würden“ (S. 958).
– Bezeichnet als das wesentlich andere Ergebnis seiner eigenen Theorie: rein kinematische Auffassung der Schwere, weil (schon nach Galilei) alle Massen gleich beschleunigt werden; der kräftefreie Punkt bewegt sich im Schwerefeld krummlinig und ungleichförmig; der rein kinematische Charakter der Gravitation erscheint auch dadurch bestätigt, daß bisher nie eine „Fortpflanzung“ der Gravitation und nie eine Umwandlung der „Gravitationsenergie in irgend andere Energieformen“ beobachtet worden ist, weshalb eine dynamische Auffassung als „Energie“ nach Einstein als unzutreffend gelten muß, weshalb auch Einstein selbst diese Äquivalenzhypothese aufgegeben hat (S. 961).
– Die Resultate von Kottlers Theorie unterscheiden sich von denen Einsteins bezüglich der Lichtgeschwindigkeit und der „geometrischen Natur des Raumes“ nur sehr gering; dagegen sind die prinzipiellen Unterschiede erheblich: insbesondere gibt Einstein „die euklidische Natur des Raumes im Gravitationsfeld auf“ (S. 971-972). Bestreitet die Allgemeingültigkeit der Äquivalenzhypothese von 1911 und entwickelt unter ihrer Beibehaltung eine gänzlich andere Interpretation, die die euklidische Natur des Raumes im Gravitationsfeld nicht aufgibt. Die gesamte Abhandlung steht unter dem Vorbehalt, daß zunächst nur ein Massepunkt mit seinem Feld betrachtet wird. Kottler hält die von Einstein ausgesprochene Aufgabe des Äquivalenzprinzips nur durch Einsteins eigene dynamische Deutung der Gravitation verursacht; Kottlers eigene Theorie (Gravitation als Trägheit gedeutet) ist hier nicht das Thema.
– In der Abhandlung von 1918 (Über die physikalischen Grundlagen der Einsteinschen Gravitationstheorie) erkennt er den Versuch als gescheitert, auf die Äquivalenzhypothese eine Gravitationstheorie zu gründen.
- 2. Dezember 2011
- Artikel
16. Dezember 2013 um 08:48
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